Bernhard Hantzsch – Ein Dresdner in Labrador

reblogged vom 11. September 2013

Für Biologen gilt es als besondere Auszeichnung, wenn ihr Name bei der Bezeichnung einer neu gefundenen Tier- oder Pflanzenart Verwendung findet. Gleiches gilt für Physiker und Astronomen, die mit der Benennung von Himmelskörpern, oder deren Krater, Mare etc. gewürdigt werden. Im Zeitalter der geografischen Erkundung der Erde hatten die Entdecker aus Europa das Vorschlagsrecht für Ortsbezeichnungen (allerdings hatten viele Plätze bereits zuvor durch die indigenen Bewohner passende Namen erhalten, die damit oft verlorengingen!!!) und dankten auf diese Weise manchmal ihren Herrschern, Sponsoren oder deren Familienmitgliedern und hofften so, sich weitere Mittel für künftige Reisen zu sichern.

Inseln vor Labrador - © Atlas of Canada
Inseln vor Labrador – © Atlas of Canada

Beim Studium geografischer Namen auf Detailkarten kann man deshalb oft Rückschlüsse auf die Entdeckungs- und Besiedlungsgeschichte der jeweiligen Regionen durch Europäer ziehen. Ein schönes Beispiel dafür ist die Karte von Nord-Labrador, der Halbinsel im Osten Kanadas, die viele Ortsbezeichnungen mit Namen deutscher und auch sorbischer Herkunft enthält: Kohlmeister Island, Kmoch Island, Martin Bay, Lenz Strait oder auch Hettasch Island. Hier wurden bekannte Missionare der Herrnhuter Brüdergemeine verewigt, die in den Missionsstationen entlang der Küste Labradors langjährig tätig waren.

Insel Neu-Plauen - Foto: Bernhard Hantzsch, Sammlung Familie Dr. Dietz
Insel Neu-Plauen – Foto: Bernhard Hantzsch, Sammlung Familie Dr. Dietz

Auf einer älteren deutschen Karte der Region wurde eine der Inseln in der Nähe von Kmoch Island und Kohlmeister Island mit Neu-Plauen bezeichnet. Das ist ungewöhnlich, denn ein Ort Neu-Plauen findet sich in Deutschland nicht. Heute heißt die Insel Home Island, sie verweist also auf Heimat und damit ist das „Rätsel“ schon gelöst, denn Plauen war ein Stadtbezirk in Dresden, in dem der bekannte Ornithologe und Forschungsreisende Bernhard Hantzsch als Lehrer tätig war.

Bernhard Hantzsch - Foto: Wilhelm Moeck, Sammlung Familie Dr. Dietz
Bernhard Hantzsch – Foto: Wilhelm Moeck, Sammlung Familie Dr. Dietz

Hantzsch hatte 1906 den Nordosten Labradors bereist und hielt sich während seiner Studien von August bis Oktober in der Region um die Missionsstation Killinek auf. Gemeinsam mit seinem Inuit-Guide Paksau bereiste er die umliegende Inselwelt. Er studierte Tiere und Pflanzen und beschäftigte sich mit der Kultur und Geschichte der Labrador-Inuit.

B. Hantzsch und Paksau - Foto: Bernhard Hantzsch, Sammlung Familie Dr. Dietz
B. Hantzsch und Paksau – Foto: Bernhard Hantzsch, Sammlung Familie Dr. Dietz

Um sich besser mit den Inuit verständigen zu können, begann er ihre Sprache zu erlernen und legte sich dafür ein handschriftliches Wörterbuch Inuktitut-Deutsch an, das heute noch erhalten ist. Teile der Sammlung von Bernhard Hantzsch befinden sich in verschiedenen Museen und Archiven. Die umfangreichste Ausstellung ist in der Bernhard-Hantzsch-Schule in Hartha zu sehen, wo man sich anhand vieler Leihgaben, auch von Familienangehörigen, mit dem Leben des in Deutschland bisher noch nicht ausreichend gewürdigten Forschers beschäftigen kann.

Inuit von Killinek - Foto: Bernhard Hantzsch, Sammlung Familie Dr. Dietz
Inuit von Killinek – Foto: Bernhard Hantzsch, Sammlung Familie Dr. Dietz

Hantzsch kam 1911 während einer Durchquerung von Baffin Island auf tragische Weise ums Leben. Seine Aufzeichnungen aber gelangten dank der ihn begleitenden Inuit letztendlich bis nach Dresden. Infolge der Auswirkungen des 1. Weltkrieges sind sein Reisewerk und seine Tagebücher bis heute in Deutschland nicht vollständig publiziert. Anders dagegen in Kanada, wo schon 1967 eine umfangreiche Darstellung der Reise durch Baffin Island erschienen ist und viele Artikel zu Teilaspekten der Tätigkeit von Hantzsch publiziert wurden.

Frauen in Killinek - Foto: Bernhard Hantzsch, Sammlung Familie Dr. Dietz
Frauen in Killinek – Foto: Bernhard Hantzsch, Sammlung Familie Dr. Dietz

In Kanada gilt Bernhard Hantzsch als einer der bedeutenden Entdecker, der zu den wenigen gehörte, die unvoreingenommen und ganz in der Art der Inuit die Arktis bereisten. Heute gibt es in Nunavut drei Ortsbezeichnungen, die auf den Forscher aus Dresden verweisen: Hantzsch Bay, Hantzsch River und Hantzsch Island.

Frauen und Kinder einer Labrador-Gemeinde - Foto: Bernhard Hantzsch, Sammlung Familie Dr. Dietz
Frauen und Kinder einer Labrador-Gemeinde – Foto: Bernhard Hantzsch, Sammlung Familie Dr. Dietz

Siehe auch: Geburtstag in Eis und Schnee – Bernhard Hantzsch

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