Seume kam nicht nach Karelien

1000 Seen, Nordenskiöld und die Leningrad Cowboys

Reblogged vom Mai 2017

Vor einiger Zeit erhielt ich die Nachricht oder in neu-deutsch einen Newsletter über die geplante Eröffnung des neuen Hossa Nationalparks, der ungefähr in der Mitte Finnlands – rund 200 Kilometer von Oulu entfernt – an der Grenze zu Russland liegt.

Hossa Nationalpark – Foto: © Visit Finland
Kristallklares Wasser im Hossa Nationalpark – Foto: © Visit Finland

Mit Oulu ist meine erste Wahrnehmung von Finnland verbunden, lange bevor ich von dem Wunderläufer Paavo Nurmi, von Jean Sibelius oder von der finnischen Sauna gehört hatte.

Eila Hiltunens Skulptur von Jean Sibelius
Eila Hiltunens Skulptur von Jean Sibelius, dem Schöpfer der „Finlandia“

Von einer Schiffsreise nach Oulu hatte mir meine Mutter ein Puukko als Andenken mitgebracht, einen traditionellen „Finnendolch“, der noch heute, Jahrzehnte später, im Bücherregal neben Büchern der finnischen Autoren Juhani Aho und Martti Larni liegt. Ahos Roman „Schweres Blut“, übrigens von Aki Kaurismäki – dem Regisseur der Filme über die schräge finnische Rockband „Leningrad Cowboys“ – als Stummfilm meisterhaft verfilmt, spielt in Karelien, genau der Landschaft, in der sich auch der Hossa Nationalpark befindet.

Puukko
Mein Puukko, ein Geschenk meiner Mutter

Einer der ersten deutschen Autoren, der Finnland und seine wechselvollen Landschaften bereist hat, war Johann Gottfried Seume, der in seinem „Mein Sommer 1805“ berichtet: „Von da [Borgo, heute Porvoo] bis Helsingfors [Helsinki] ward es mir unerträglich heiß; weit heißer, als es mir um den Aetna und in der Lombardey geworden ist.“

Rathaus in Porvoo  – Foto: kallerna
Das Rathaus in Porvoo stand schon zu Seumes Zeiten – Foto: kallerna

Das war im Hochsommer, wenn selbst im Süden Finnlands die Sonne kaum untergeht. An anderer Stelle schreibt er „Finnland ist eine ungeheure Granitschicht, zwischen welcher sich hier und da schöne fruchtbare bebaute Niederungen hinziehen.“ Die sprichwörtlichen tausend Seen erwähnt er nicht; denn er hatte wohl zu wenig vom Land gesehen.

Dom in Helsinki
Entstand erst nach Seumes Besuch: Dom in Helsinki

Von Helsinki war ihm nur erwähnenswert, dass der Postmeister deutsch sprach und „ein sehr gutes Haus hält“. Die heutige Hauptstadt war damals allerdings nur ein kleines Nest, das kurz danach im Russisch-Schwedischen Krieg von 1808 fast vollständig zerstört wurde.

Uspenski-Kathdrale in Helsinki
Die Uspenski-Kathdrale in Helsinki entstand in der Zeit der russischen Herrschaft

Was uns heute am Stadtbild von Helsinki gefällt, entstand entweder unter russischer Herrschaft oder erst nach der Unabhängigkeit Finnlands im Jahr 1917. Nach der schwedischen bzw. russischen Vorherrschaft endete das jahrhundertelange Gezerre um Finnland endgültig erst nach dem zweiten Weltkrieg.

Das maritime Helsinki
Das maritime Helsinki

Der Südhafen von Helsinki liegt direkt im Zentrum und bietet freien Blick auf eine weite Bucht und Werftanlagen, wo mächtige Eisbrecher liegen, die daran erinnern, dass Finnland – obwohl es keinen direkten Zugang zum Polarmeer hat – an der Ostsee fast bis an den Polarkreis reicht.

Adolf Erik Nordenskiöld
Adolf Erik Nordenskiöld, aus einem Gemälde von Georg von Rosen, 1886

Es ist also nicht verwunderlich, dass sich auch Finnen an der Entdeckung und Erschließung der Arktis beteiligt haben. Der in Helsinki geborene finnisch-schwedische Polarforscher Adolf Erik Nordenskiöld ist der bekannteste von ihnen. Unter seiner Führung gelang es dem schwedischen Expeditionsschiff Vega, 1878/79 erstmalig die Nordost-Passage von Europa entlang der Nordküste Sibiriens bis nach Asien zu befahren. Im Anschluss umrundete er noch ganz Asien, durchfuhr den Suez-Kanal und kehrte nach Stockholm zurück. Seinen Ruhm teilen sich nun Finnland und Schweden brüderlich.

Finnische Briefmarke
In Finnland wie in Schweden wird Nordenskiöld geehrt
Schwedische Briefmarke

Etwas bescheidenere Entdeckungstouren bieten heute viele finnische Wandergebiete und Nationalparks an, wie neuerdings der von Hossa.

Kajaktouren im Hossa Nationalpark – Foto: © Visit Finland
Spektakuläre Kajaktour durch den Hossa Nationalpark – Foto: © Visit Finland

Wer sich dort mit Kanu oder Kajak auf den Weg macht, wird zwar nicht wie seinerzeit Nordenskiöld auf Eisbären stoßen, sondern „bestenfalls“ auf den fast genauso großen Braunbären, der als Finnlands mythisches Nationaltier gilt. Vorsicht und Umsicht sind also auch in der finnischen Wildnis geboten.

Hossa Nationalpark  – Foto: © Visit Finland
Naturparadies mit freiem Eintritt – der Hossa Nationalpark – Foto: © Visit Finland

Herzlichen Dank an Visit Finland für die Anregung zu diesem Blog!

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