Johannes Trojan in Kanada

Gedanken zum Todestag des Schriftstellers am 21.11.1915

reblogged vom 21.11.2015

Johannes Trojan (links) und Dichterfreund Heinrich Seidel
Johannes Trojan (links) und Dichterfreund Heinrich Seidel

Wenn man wie ich in Warnemünde aufgewachsen ist, wird man gelegentlich mit der deutschen Literaturgeschichte konfrontiert. Mein Weg zur Fritz-Reuter-Schule führte mich durch die Trojanstrasse und die Fritz-Reuter-Straße. Den Rückweg ging ich oft gemeinsam mit Schulfreunden durch die John-Brinckman-Straße und folgte dann der Dänischen Straße in die Wossidlostraße. Weiter zur Ostsee hin gibt es dann noch die Schillerstraße und die Heinrich-Heine-Straße. John Brinckman, dessen Vorname sich „Joon“ spricht, war genauso wie Richard Wossidlo und Fritz Reuter waschechter Mecklenburger, während Schiller und Heine weniger mit der Küste zu tun hatten. Auch zwei Dichter aus Sachsen, Joachim Ringelnatz und Kurt Barthel (KuBa), deren Werk kaum gegensätzlicher hätte sein können, fühlten sich zu Warnemünde hingezogen.

Straßenschilder in Warnemünde
Straßenschilder in Warnemünde

Ein weiterer Dichter im Kreis der Warnemünde besonders verbundenen Literaten war Johannes Trojan, der am 14.8.1837 in Danzig geboren wurde und am 21.11.1915 in Rostock gestorben ist. Trojan hat eine Weile in dem Warnemünder Haus in der Parkstrasse 9 gewohnt, in dem ich meine Jugend verbracht habe. Ich muss allerdings gestehen, dass von Trojans Geist im Haus nichts mehr zu spüren war. Vielleicht liegt das auch daran, dass er nach Aussage seines Biografen Friedrich Mülder nur wenige Wochen in der damaligen Diedrichshäger Chaussee Nr. 9 gewohnt hatte und dann wegen nicht akzeptabler Forderungen seines Vermieters noch einmal einige Häuser weiter gezogen war.

Parkstraße 9 in Warnemünde
Parkstraße 9 in Warnemünde

Trojan, zu seiner Zeit ein bekannter Mann, ist heute zu Unrecht vergessen. Deshalb soll hier an eines seiner weniger bekannten Bücher erinnert werden, das eine ungemein interessante und unterhaltsame Lektüre ist: Auf der anderen Seite: Streifzüge am Ontario-See. Das Buch ist 1902 erschienen und erzählt von einer Reise nach Kanada. Trojan reiste mit seiner Frau, um seine Tochter und deren junge Familie in Toronto zu besuchen, was vor über 100 Jahren noch immer ein echtes Abenteuer war. Das Ganze muss man natürlich selber lesen, leider ist das Buch aber nur noch in guten Bibliotheken oder antiquarisch zu finden. Deshalb hier für alle Trojan- und Kanada-Freunde einige kurze Auszüge zum „Appetit machen“!

Mit dem Schiff „Großer Kurfürst“ reiste Trojan nach Amerika
Mit dem Schiff „Großer Kurfürst“ reiste Trojan nach Amerika

“Gleich hinter Buffalo, das am Erie-See liegt, kommt man nach Canada hinein und verläßt in gewissem Sinne Amerika. Denn die Bewohner Canadas dulden es nicht, daß sie Amerikaner genannt werden; Amerikaner sind für sie die Bewohner der Vereinigten Staaten, die Yankees, die sie hochschätzen, ohne daß sie den Wunsch hegen, mit ihnen verwechselt zu werden. Sie wollen nichts anderes sein und nicht anders genannt werden als Canadier.“

Das Alte Rathaus in Toronto
Das Alte Rathaus in Toronto stand auch damals schon

„Von dem Seeufer, das ihre Basis bildet, breitet sich die Stadt, durch deren Gebiet ein kleiner in den See mündender Fluß, der Don River, strömt, weit nach Osten, Westen und Norden hin aus. Es ist schade, daß Toronto keine Straße am See besitzt; die ganze Wasserseite nehmen, wie auch in Montreal, Hafenanlagen und Fabriken ein.“

Toronto Waterfront
Toronto heute – Am Ufer des Ontariosees

„Im Hafen von Toronto lag der kleine Fracht- und Personendampfer »Persia«, gerüstet zur Fahrt über den Ontariosee und dann weiter den Lorenzstrom hinunter nach Montreal. … Noch am Vormittag legten wir bei Kingston an, das da liegt, wo der Lorenzstrom als Ausfluß der fünf großen Seen beginnt. Am 10. Mai 1841 kam Dickens auf seiner ersten amerikanischen Reise … auch von Toronto her nach Kingston, das er ein sehr armes Städtchen nennt, noch ärmer, als es schon war, durch eine Feuersbrunst geworden, die darin gewütet hatte.“

Die St. George's Cathedral in Kingston, Ontario
Die St. George’s Cathedral in Kingston, Ontario

„Auf der Straße [in Montreal] hatte sich ein Mann mit einem photographischen Projektionsapparat postiert und warf auf die Mauer eines Gebäudes unablässig Bilder, deren jedes auf eine Reklame für eines der Geschäfte der Stadt hinauslief. Eine derartige Reklame war mir noch nicht vorgekommen.“

Blick auf Montreal
Blick auf Montreal

„Als ich dann drüben war, stand mein ganzes Verlangen nach dem nördlichen Waldgebiet. Ich beredete meinen Schwiegersohn dazu, mich auf einer Fußwanderung dorthin zu begleiten. Weshalb er anfangs für die Sache nicht sehr eingenommen war, ist mir später klar geworden. Wir wurden nämlich beide dieser Unternehmung wegen für verrückt gehalten.“

Muskoka
Muskoka im Herbst

„Nun, daraus darf man sich nichts machen, wenn man etwas lernen und seinen Anschauungskreis erweitern will. …Wir nahmen so wenig Gepäck wie möglich mit, ich mußte aber doch auf meine Umhängetasche eine Pflanzenpresse mit einigem Vorrat an Preßpapier aufschnallen, denn ohne das hatte ich keine Aussicht, etwas an botanischer Ausbeute heimzubringen.“

See bei Peterborough, Ontario

„Ich war noch ziemlich klein, als ich schon aus dem »Pfennigmagazin für Kinder« wußte, daß Niagara »donnerndes Wasser« bedeutet, daß ich aber selbst einmal zu diesem donnernden Wasser kommen würde, habe ich bis vor wenigen Jahren nicht für möglich gehalten. So habe ich eines der größten Weltwunder zu sehen bekommen und kann nun in einer Berliner Gesellschaft … sehr wohl … fragen: »Waren Sie auch schon einmal am Niagara?« Nein doch, das thue ich nicht. Denn erstens ist alles Renommieren mir verhaßt, und dann … erscheint man in einem solchen Fall viel glaubwürdiger … wenn man fragt: »Waren Sie auch schon einmal am Schwielowsee oder am Werbelinsee?“

Historische Ansichtskarte - Niagara Falls
Historische Ansichtskarte mit den Niagara Falls

Seit einiger Zeit gibt es übrigens von dem Rostocker Willi Passig eine neue Biografie über Johannes Trojan: „Von Danzig über Berlin nach Rostock„.

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3 Antworten zu Johannes Trojan in Kanada

  1. Ulrich Goerdten sagt:

    Schon Johannes Trojan bemängelte, dass zu seiner Zeit auf einem Straßenschild der Name des Dichters fälschlich „Brinkman“ geschrieben wurde. Hier lese ich nun, dass der Dichter „Brinkmann“ geheißen habe. In Wahrheit hieß er aber „Brinckman“.
    Trojans Kritik ist nachzulesen in einem Artikel der Nationalzeitung vom 5. Oktober 1902, Sonntagsbeilage S. 2 mit dem Titel „Aus Warnemünde“. Jetzt wieder abgedruckt in einem Buch mit dem Titel „Von Warnemünde bis Prerow“ (Fischerhude 2023), das Skizzen von Johannes Trojan enthält. (Hier auf S. 210) Trojan ergänzt: „Es erscheint auffallend, daß in der Heimat des Dichters sein Name nicht richtig geschrieben wird, aber ähnliches kommt auch anderwärts vor

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