Seit Juli 2024 gehört das ostsächsische Herrnhut zur UNESCO Welterbestätte „Siedlungen der Herrnhuter Brüdergemeine“ – wie auch Christiansfeld in Dänemark, Bethlehem in den USA und Gracehill in Nordirland. Letzte Woche hatten wir Gelegenheit, endlich einmal Christiansfeld zu besuchen, das unweit der deutschen Grenze im Süden Jütlands (Nordschleswig) liegt.

Das schön erhaltene Gebäudeensemble erinnerte uns an andere Siedlungen der Brüdergemeine wie Zeist in den Niederlanden und eben Herrnhut.

Im Søstrehuset – dem ehemaligen Schwesternhaus, das heute Museum und Archiv beherbergt – empfing uns Lise, die freundliche und hilfsbereite Archivarin. Wir hatten uns erst kurz zuvor angemeldet, und doch lagen schon Archivdokumente aus dem Jahr 1855 für uns bereit. Es dauerte nicht lange, und wir fanden etwas Interessantes.

Schon vor Jahren waren wir bei unseren Recherchen in Herrnhut auf eine Anfrage aus Christiansfeld gestoßen, die Miertschings Besuch wünschte, doch die Ältestenkonferenz der Herrnhuter Brüdergemeine hatte sich schnell dagegen ausgesprochen. Denn seit seiner Rückkehr aus der Arktis im Herbst 1854 hatte Miertsching immer wieder auf Veranstaltungen über seine Erlebnisse berichtet – auf Einladungen hin, die von Brüdergemeinen in England, von Adelshäusern seiner Oberlausitzer Heimat und sogar vom Sächsischen König kamen.

Der Missionsdirektion und der Ältesten-Conferenz in Herrnhut/Berthelsdorf war es aber gar nicht recht, dass Miertsching so viel Aufmerksamkeit erfuhr, weil das „in Ansehung seines inneren Herzens-Ganges gefährlich werden dürfte.“ Man befürchtete offenbar, er könnte stolz werden, also die gewünschte demütige Haltung verlieren. Zudem meinte man, „daß seine Reise keine Missionsreise war, und im Grunde vom eigentlichen Missions-Interesse etwas fremd ist.“ [1]

Doch die Christiansfelder setzten ihren Wunsch auf eine „Belebung“ ihres Missionsfestes durch den vielgereisten Missionar Miertsching durch; sie hatten sogar sein Reisegeld im Voraus angewiesen. Nun endlich wissen wir Genaues über die Reise: Im Diarium ist vermerkt, dass Johann August Miertsching am 10. Juni 1855 in Christiansfeld eingetroffen war und am 14. wieder abreiste. [2]

Und dann der nächste Fund: „Unsere diesjährige Jahresfeier des Nordschleswigschen Missionsvereins am 11. Juni war ausgezeichnet durch die Anwesenheit unseres Bruders Miertsching, welcher … in zwei Vorträgen … Mittheilung machte von … der Nordpolexpedition zur Aufsuchung Kapitän Franklins …, die er als Dolmetscher in der Eskimosprache begleitet hat, … und von den Gelegenheiten, die sich ihm darboten, mit den … heidnischen Bewohnern jener Polarländer … Unterredungen einzuleiten.“ [3]

Wahrscheinlich musste die Ältestenkonferenz der Brüdergemeine sogar noch weiteren Nachfragen zustimmen, denn wir wissen, dass Miertsching auch in Gnadenberg (Schlesien) im August 1855 und in Hamburg im Oktober 1856 über seine Reiseerlebnisse berichtet hat.

Ob Miertschings Vorträge in Christiansfeld wohl den Anstoß dazu gegeben haben, dass sein 1855 von den Herrnhutern editiertes Reisetagebuch ins Dänische übersetzt wurde? Denn 1860 erschien eine Ausgabe im heutigen Oslo. Es könnte gut sein, dass Miertschings Aufenthalt in Basel von April bis August 1856, wo er ebenfalls häufig von seinen Reisen berichtete, letztlich zu der von Jean-Louis Micheli ins Französische übersetzten Ausgabe führte, die 1857 in Genf erschien.

Nach dem Besuch von Archiv und Museum gönnten wir uns noch eine Christiansfelder Spezialität: nach alten Rezepten zubereitete Honigkuchen in verschiedenen fantasiereichen Ausführungen. Die wurden auch schon zu Miertschings Zeiten hier zubereitet, und vermutlich hat auch er damals welche genossen.

Quellen der Zitate:
[1] Protokolle der UAC, 1855 – 15. Februar, EBU-Archiv Herrnhut
[2] Diarium des Brüder-Chores Christiansfeld 1854-1870
[3] Memorabilia der Gemeine zu Christianfeld aus dem Jahre 1855

Mehr zum Thema auch in unserem Buch: „Weil ich ein Inuk bin. Johann August Miertsching – ein Lebensbild.“
