Der Flugpionier Arthur Neumann
reblogged – ursprünglich veröffentlicht am 3. März 2014
Obwohl ich in Warnemünde aufgewachsen bin, hatte ich bis vor kurzem noch nie von einem Polarflieger aus meinem Heimatort gehört (Dank an Reiner Frank, „Rostocker Zorenappels“, 5/2011). Vielleicht bin ich aber, ohne es zu wissen, Arthur Neumann öfters über den Weg gelaufen, denn in meiner Kindheit war der Ort außerhalb der Saison ein überschaubares ruhiges Städtchen. Mit der Arktis hatte Warnemünde eigentlich nichts gemeinsam, abgesehen von seltenen extrem kalten Wintern, in denen sich das Eis der Ostsee durchaus in „arktisches Packeis“ verwandeln konnte.

Heute, am 4. März 2014, jährt sich zum 40. Mal der Todestag von Arthur Neumann, der 1923 als erster ein Flugzeug von Spitzbergen aus in Richtung Nordpol gelenkt hatte. Der am 17.1.1890 in Hamburg geborene Flieger hat mit einigen Unterbrechungen bis zu seinem Tod in Warnemünde gelebt.

Arthur Neumann wurde während des 1. Weltkriegs Pilot. Er kam 1919 nach Warnemünde zur Deutschen Luft-Reederei und arbeitete ab 1923 für Junkers Luftverkehr AG, das führende Flugverkehrs-Unternehmen dieser Zeit.

© ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv
Junkers hatte Anfang des Jahres 1923 zwei Maschinen vom Typ F 13, dem ersten Verkehrsflugzeug der Welt, an Roald Amundsen – den Bezwinger des Südpols und der Nordwest- bzw. auch der Nordost-Passage – geliefert, der damit von Alaska nonstop über den Nordpol nach Spitzbergen fliegen wollte.

Allerdings waren die Flugzeuge demontiert in Kisten nach Wainwright, Alaska angeliefert und dort ohne Junkers Spezialisten zusammengebaut worden. Am 11.5.1923 startete Amundsens Flieger Oskar Omdal die „Elisabeth“ zu einem ersten kurzen Testflug, jedoch brach bei der Landung der linke Ski, und der verunsicherte Amundsen blies den geplanten ersten Flug zum Nordpol und weiter nach Spitzbergen ab.

Bei Junkers hatte man sich in der Zwischenzeit Sorgen um Amundsens ehrgeizige Pläne gemacht und zur Absicherung des Polarflugs eine weitere F13 (D 260) mit dem Flieger Arthur Neumann auf den Weg nach Spitzbergen geschickt, als unerwartet Amundsens Absage eintraf.

Junkers war Geschäftsmann genug, um dieser schwierigen Situation noch etwas Positives abzugewinnen. Er beschloss, Neumann und den ihn begleitenden bekannten Schweizer Flieger und Fotografen Walter Mittelholzer mit Erkundungsflügen über Spitzbergen und ersten Luftbildaufnahmen zu beauftragen.

Bei diesen Flügen mit dem „Eisvogel“ gelang es Neumann am 8.7.1923, trotz nicht störungsfrei arbeitendem Motor erstmalig mit einem Flugzeug den 80. Breitengrad* zu überwinden (*in der vorherigen, nunmehr korrigierten Fassung hieß es: „fast den 83. Breitengrad zu erreichen“). Nach einem mehr als sechsstündigem Flug landeten sie im Gronfjorden, wo sich heute die russische Siedlung Barentsburg befindet. Hier mussten sie feststellen, dass das benötigte Ersatzteil nicht zur Verfügung stand.

© ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv
Neumann war sich später sicher, dass sie gute Chancen gehabt hatten, erstmalig den Nordpol zu erreichen, wenn es ihnen gelungen wäre, das Flugzeug zu reparieren. Die fotografische Ausbeute Mittelholzers von diesen Flügen war immens, selbst ein 16 Minuten langer Film ist bis heute erhalten geblieben.

Für Arthur Neumann war es wohl der einzige Arktisflug, obwohl er 1926 in Island als Pilot für die Lufthansa tätig war. 1929 bildete er dann sowjetische Piloten im Blindflug aus, offensichtlich im Zusammenhang mit Junkers Flugzeugbau-Aktivitäten in der 1930er Jahren in der UdSSR. Neben dem eigenen Polarflug und einer Gesamtflugstrecke, die der 27maligen Umrundung des Äquators entspricht, zählte Neumann ein Zusammentreffen mit dem russischen Polarflieger Wodopjanow, der 1937 als erster Flieger am Nordpol gelandet war, zu den bedeutsamen Ereignissen in seinem Leben.

Leider sind von Arthur Neumann keine persönlichen Aufzeichnungen über seine Arktisflüge und sein späteres Fliegerleben bekannt. Wären da nicht das Buch „Im Flugzeug dem Nordpol entgegen“ von Mittelholzer und dessen wunderbaren Fotos in den Archiven, hätte man wohl den Polarflieger Arthur Neumann aus Warnemünde, der beinahe als erster Flieger den Nordpol erreicht hatte, längst vergessen.

Amundsen gelang es doch noch, nach Erreichung des Nordpols am 12. Mai 1926 als ehrgeiziger Vermarkter seiner selbst den Ruhm als ein Eroberer des Nordpols zu beanspruchen. Eigentlich aber war er nur als „Tourist“ auf dem Luftschiff Norge unter Kommando von Umberto Nobile dabei gewesen …

Der Beitrag ist eine sehr schoene Wuerdigung der Pioniertat von Arthur Neumann (Pilot) und Walter Mittelholzer (Flugfotograf)! Dank an den Autor Wolfgang Opel. Das Neumann in seiner Heimat (zu) wenig Aufmerksamkeit zu teil wurde (von Vergessen wuerde ich nicht sprechen) haengt vermutlich eher mit der fehlenden Eigenschaft der „Selbstvermarktung“(!) zusammen. Verweisen darf man in diesem Zusammenhang auf die hervorragende, akribisch erarbeitete Monografie von Guenter Schmitt (unter Mitarbeit von Angelika Hofmann und Thomas Hofmann) „Hugo Junkers und seine Flugzeuge“ (ich zitiere die 2. unveraenderte Auflage von 1986). Darin werden die Umstaende des Fluges der F-13 detailliert beschrieben (S. 59-61). Schmitt verweist u.a. auf ein Interview mit Arthur Neumann im Jahre 1970, das in seiner Warnemuender Wohnung gefuehrt wurde. Als Quelle wird wiederum auf den Beitrag „Eine Prise Arktis“ in der Zeitschrift Flieger-Review, Heft 9/1970, S. 364 ff. verwiesen. Moegen die Namen auch dieser Pioniere nie vergessen werden.
Vielen Dank für die freundlichen Worte. Der ursprüngliche Beitrag ist ja von 2014. Inzwischen ist einiges geschehen. Da gab es die Ausstellung im Warnemünder Heimatmuseum von 2016, eine Tagung in Dessau 2023, eine Reihe von Artikeln, Beiträge im Radio und auch meinen Blogbeitrag https://www.trimaris.de/2023/07/07/100-jahrestag-des-ersten-fluges-in-richtung-nordpol/.
Danke fuer Ihre freundliche und schnelle Antwort! Ja, Herr Opel, bin mir bewusst, dass meine Angaben nicht „up-to-date“ sind, sondern rein selektiver, aktueller Wahrnehmung entsprechen. Daher besten Dank fuer den Link zu Ihrem Blogbeitrag von 2023, den ich mit grossem Interesse lesen werde! Von dem „System Junkers“ mit seinem gesamten intellektuellen, ingenieurtechnischen, technologischen und oekonomischen „Spirit“ sowie seinem personellen Umfeld geht fuer mich eine unglaubliche Faszination aus. Das betrifft inbesondere die sehr herausfordernde und selten glueckliche Kombination von Wissenschaft und Unternehmertum. Ich denke, dass diese Herausforderung nichts von Ihrer Aktualitaet verloren hat. Vielleicht werden eines Tages auch mal Junkers Tagebuecher veroeffentlicht. Blogs wie Ihrer tragen jedenfalls sehr zur Wissensbewahrung und -vermittlung, sprich zur Aufklaerung im besten Sinne des Wortes bei. Ich wuensche Ihnen weiterhin viel Erfolg damit. „Weiter so!“
Danke! Vielleicht interessiert Sie ja auch dieser Beitrag!
https://www.trimaris.de/2024/11/25/mit-dem-luftschiff-in-den-hohen-norden/
Pingback: 100. Jahrestag des ersten Fluges in Richtung Nordpol | Trimaris
Hallo Wolfgang Opel,
Nun habe ich auch diesen Trimaris blog einmal geöffnet. Sie hatten mir ja unlängst schon eine kurze mail dazu gesandt. Interessant! Und schöne Fotos!
Beste Grüsse siegfried Nicklas
Arthur Neumann hatte schon ein sehr interessantes Fliegerleben!
Seltsam, dass uns in 12 Schuljahren in Rostock niemand etwas von Arthur Neumann erzählt hat.
Ich habe auch zwei wunderschöne Fotos vom Packeis auf der Mole 1963
Das hat vermutlich mit dem Einsatz der Flugzeugindustrie im 2. Weltkrieg zu tun. Obwohl Arthur Neumann da wohl nicht involviert war. Vielen Dank für den Kommentar! 🙂