Sir Henry Kellett – ein von Miertsching wertgeschätzter Kapitän
Am 1. März 1875, heute vor 150 Jahren, starb Sir Henry Kellett. Als Kapitän von HMS Resolute verantwortete er maßgeblich die Rettung der Besatzung von HMS Investigator und damit von Johann August Miertsching.

Geboren am 2.11.1806 in Clonacody im Süden Irlands, diente Kellett bereits ab einem Alter von 15 Jahren bis 1871, zuletzt als Vice-Admiral, der britischen Royal Navy. Er nahm u.a. am ersten Opium-Krieg gegen China teil. 1845 wurde er Kapitän von HMS Herald, einem Vermessungsschiff zur Erkundung des Nordpazifiks. An Bord des Schiffes befand sich auch der deutsche Botaniker Berthold Seemann, der später umfangreiche Berichte über die Herald-Expedition veröffentlichte. Das Schiff wurde ab 1848 an der umfangreichen Suche nach der vermissten Franklin-Expedition beteiligt.

Bei einer Fahrt der Herald ins Polarmeer entdeckte man 1849 eine unbekannte Inselgruppe im Norden Sibiriens. Kellet landete auf einer der Inseln und nahm sie für die Krone in Besitz. Sie erhielt den Namen „Herald Island“. Während des Aufenthaltes im Nordpazifik nutzte die Herald auch eine neue Schiffsroute, eine Abkürzung durch die Aleuten-Kette. In einem auf Hawaii deponierten Brief informierte Kellett die Kapitäne von Enterprise und Investigator, die im Sommer 1850 auf der Suche nach Franklin vom Pazifik aus ostwärts in das Polarmeer fahren sollten, von dieser Möglichkeit. Doch nur Kapitän McClure nutzte den Hinweis, und so traf die Investigator bereits Ende Juli im Norden Alaskas mit der Herald und Kapitän Kellett zusammen, der später berichtete: „On the morning of the 31st July, Cape Lisburne … we fell in with her Majesty’s ship „Investigator“; she had made a surprising passage of 26 days from Oahee …“.

Ob Miertsching und Kellett damals einander trafen, ist nicht bekannt. Aber fast drei Jahre später, am 2. Mai 1853, machten die beiden persönliche Bekanntschaft. Kellett war inzwischen Kapitän der HMS Resolute, die sich, auf der Suche nach Franklin vom Osten kommend, bei Dealy Island im Winterquartier befand. Kellett hatte die Suche nach der Mannschaft der im Eis eingeschlossenen Investigator befohlen und so ihre Rettung eingeleitet.

Miertschings Empfang durch Kellett war ungewöhnlich zuvorkommend. Das lässt sich nur dadurch erklären, dass Kapitän McClure ihn über den außerordentlichen Anteil Miertschings am Überleben der Besatzung informiert hatte. „Ich wurde in des Kapitains Kajüte gebracht, wo ich mich nach 16 Tagen wieder einmal ordentlich waschen konnte, und die vom Kapitain Kellett mir geborgte Kleidung und Wäsche anzog.“ Noch für die nächsten zwei Wochen durfte Miertsching in Kelletts Kajüte wohnen, bis für ihn eine eigenen Unterkunft eingerichtet wurde.

Bald lernte Kellett Miertschings Fähigkeiten aus eigener Erfahrung schätzen. Sie gingen sogar gemeinsam auf Jagd mit dem Hundeschlitten, nachdem Miertsching neue Stiefel für den Kapitän gefertigt hatte. Auch noch nach dem Umzug in die eigene Kabine wurde Miertsching zu besonderen Gelegenheiten zum Dinner in die Kapitänskajüte geladen. In einem Brief vom Mai 1853 nach Hause schrieb er „Ich … erfreue mich allerbester Freundschaft mit dem von mir hochgeschätzten Kapitän Kellett“. Das Zitat stammt aus einem Artikel in der sorbischen Zeitschrift Tydzenske Nowiny von Ende 1853. Das handschriftliche Original des Briefes ist leider nicht mehr auffindbar.

Auf Dealy Island ließ Kellett ein Vorratshaus errichten, in dem Lebensmittel und Ausrüstungen gelagert wurden, damit sich Überlebende der Franklin- oder anderer Expeditionen versorgen könnten. Von „Kellett’s Storehouse“ sind heute nur noch die Grundmauern erhalten. Hier vor dieser Ruine zitierte Miertschings Urenkel Prof. Dr. Holger Jannasch bei einem Aufenthalt im August 1990 aus dem Tagebuch seines Urgroßvaters. Diese Szene ist Bestandteil einer Dokumentation über die Suche nach der Nordwestpassage von Peter Milger.

Nach einer weiteren Überwinterung wurden HMS Resolute und die begleitende HMS Intrepid aufgegeben. Offiziere und Mannschaften, unter ihnen Kapitän Kellett und Miertsching, marschierten über das Eis des Parry-Kanals nach Beechey Island, von wo sie im Herbst 1854, jetzt aufgeteilt auf verschiedene Schiffe, nach England zurückkehren konnten.

Noch auf dem Heimweg über Grönland wurde Miertsching bei einem Landgang in Godhavn (Qeqertarsuaq) von Kellett und den anderen Kapitänen zu einem „zweiten Frühstück“ gebeten und später dem dänischen Handelsinspektor vorgestellt. Nach der Ankunft in London nahmen Kellett und McClure ihn mit auf die Admiralität, wo er John Barrow junior, dem entscheidenden Mann hinter der Suche nach der Franklin-Expedition, vorgestellt wurde – die Wertschätzung war durchaus gegenseitig.

Bis zu seiner Pensionierung übernahm Kapitän Kellett, später als Commander, Rear- und Vice-Admiral, weitere Positionen in der Royal Navy, bevor er sich in seinen Geburtsort in Irland zurückzog, wo er am 1.3.1875 starb. Sein Geburtshaus steht noch heute. Umgewandelt in ein komfortables Gästehaus, kann man dort in der „Henry Kellett Suite“ übernachten.