Kaum bekannt und wenig erinnert

Zum 150. Geburtstag des Lehrers, Ornithologen und Arktisforschers Bernhard Hantzsch

Bernhard Adolf Hantzsch wurde am 12. Januar 1875 in Dresden geboren. Er war der jüngste Sohn von Emma Hantzsch und ihrem Ehemann, dem Lehrer, Heimatforscher und Chronisten Adolf Hantzsch.

Bernhard Hantszch als Schüler
Bernhard Hantzsch als Schüler – Foto: Sammlung Dr. Dietz

Nach der Schule besuchte Bernhard Hantzsch – wohl dem Wunsch des Vaters folgend – von 1889-1995 das königliche Schullehrerseminar in der Dresdner Friedrichstadt. Nach einer Zeit als Hilfslehrer in Grillenburg bei Tharandt wurde er 1898 Lehrer an der Höheren Volksschule in Dresden-Plauen.

Das Gebäude der Höheren Volksschule Dresden-Plauen
Das Gebäude der „Höheren Volksschule Dresden-Plauen“ heute
Foto: © Wolfgang Opel

Schon früh lernte Bernhard Hantzsch den nahegelegenen Tharandter Wald kennen und begann, sich für die dortige Vogelwelt zu interessieren. Seine Ambitionen als Ornithologe reichten jedoch bald weit über Sachsen hinaus. Ein geplanter mehrjähriger Aufenthalt im damaligen Deutsch-Ostafrika ließ sich allerdings nicht finanzieren. Deshalb konzentrierte er sich zunächst auf die nähere Umgebung, und ab 1898 fuhr er mehrfach nach Slawonien und 1901 nach Bulgarien. Erste Veröffentlichungen erschienen u.a. 1903 im Journal für Ornithologie über „Brutvögel der Gegend von Königswartha (Lausitz)“.

S.S. Skalholt
Auf diesem Schiff umrundete Hantzsch den Nordwesten Islands

Dem wachsenden internationalen Interesse an der Arktis folgend, wandte sich Bernhard Hantzsch zunächst Island und später Labrador zu. 1903 brach er zu einer mehrmonatigen Expedition (10.4.-4.9.) nach Island auf. Zunächst reiste er nach Kopenhagen und von dort aus über die Orkney- und die Färöer-Inseln nach Reykjavik. Er umrundete den Nordwesten Islands per Schiff, um sich dann den kleinen Fischereihafen Hjalteyri nördlich von Akureyri als Ausgangspunkt für seine Beobachtungen der Vogelwelt Islands zu wählen.

Hjalteyri
Hjalteyri 2024
Hjalteyri 2024 – Foto: © Wolfgang Opel

Diese führten ihn auch auf die abgelegene Insel Grimsey am Polarkreis und danach an den Myvatn, dem als „Mückensee“ bekannten Vogelparadies im Nordosten Islands.

Vogelfelsen auf Grimsey
Vogelfelsen auf Grimsey – Foto: Bernhard Hantzsch
Goðafoss
Hantzsch besuchte und fotografierte damals auch den berühmten Goðafoss.
Hier der Goðafoss 2024 – Foto: © Wolfgang Opel

Über seine Zeit in Island schrieb Bernhard Hantzsch den noch heute lesenswerten Bericht: „Beitrag zur Kenntnis der Vogelwelt Islands“. Dieser enthält – neben einem geschichtlichen Abriss und der Reise- und Landschaftsbeschreibung – den Bericht über die beobachteten und präparierten Vögel sowie viele Fotografien von Hantzsch.

Hantzsch in Island
Hantzsch unterwegs in Island – mit dem Pferd Heira

Um seine spätere Expedition nach Baffin Island gründlich vorzubereiten, reiste Bernhard Hantzsch 1906 zunächst nach Labrador. Dort wollte er auch das Leben der Inuit kennenlernen, weil er vorhatte, Baffin Island gemeinsam mit einer Gruppe von Inuit zu durchqueren.

Harmony im Packeis
Das Missionsschiff „Harmony“ im Packeis

Mit der SS Harmony, dem Schiff der Herrnhuter Brüdergemeine, gelangte er am 4. August nach Killinek ganz im Norden der Labrador-Halbinsel, wo er sich mehrere Wochen aufhielt. Mit Hilfe des Inuk Paksau erkundete er die Umgebung und die Tierwelt. Hier begann er auch, sich mit dem Alltag der Inuit und ihrer Sprache vertraut zu machen.

Killinek
Die Missionsstation Killinek
Der Inuk Paksau – Foto: Bernhard Hantzsch

Auf der Heimreise im Oktober, wiederum mit der Harmony bis nach St. John’s, konnte er auch die anderen Stationen der Brüdergemeine entlang der Nordostküste Labradors kennenlernen.

Hantzsch und Margarete Lenz
Hantzsch (obere Reihe Mitte), links vor ihm Miertschings Enkelin Gretel Lenz

In Okak traf er auf die Enkelin von Johann August Miertsching, Gretel Lenz. Es ist aber nicht überliefert, ob Hantzsch sich dieser Verbindung bewusst war. Über seine Reise veröffentlichte er verschiedene Berichte: „Beiträge zur Kenntnis des nordöstlichen Labradors“, „Beitrag zur Kenntnis der Vogelwelt des nordöstlichsten Labradors“, „Über Eskimo-Steingräber im nordöstlichen Labrador…“ sowie diverse Artikel in Zeitschriften.

Hantzsch in Labrador
Hantzsch in Labrador

Die nächsten zwei Jahre war Bernhard Hantzsch mit der detaillierten fachlichen Vorbereitung der Baffin Island-Expedition beschäftigt. Er korrespondierte mit namhaften Wissenschaftlern, denen er seine Konzeption zur Beurteilung vorlegte. Die Finanzierung musste gesichert, Sponsoren und Kooperationspartner eingebunden werden. In Archiven in Dresden und Berlin kann man den ungeheuren Arbeitsaufwand nachvollziehen, den Hantzsch zu bewältigen hatte, bevor er Anfang Juli 1909 endlich seine ersehnte Reise in die Arktis antreten konnte.

Blacklead Island
Überwinterung auf Blacklead Island – Foto Public Domain

Wie sich diese Reise so ganz anders entwickelte als er sich erträumt hatte, lässt sich in seinem Reisebuch nachlesen, das bisher allerdings leider nur in englischer Übersetzung veröffentlicht wurde. Dem Untergang des Schiffes und dem Verlust eines großen Teils seiner Ausrüstung folgte die ermüdende Auseinandersetzung um die Sicherung einer Mindestausstattung, um seine Expedition wenigstens in Teilen durchführen zu können. Man kann den Druck, der auf Hantzsch lastete, nur erahnen. Fühlte er sich doch gegenüber seinen Finanziers in der Pflicht und dafür verantwortlich, wissenschaftlich wertvolle Forschungsergebnisse zu liefern.

Zeichnung von Bernhard Hantzsch
Zeichnung von Bernhard Hantzsch

Die Expedition fand mangels Ausrüstung und fehlender Jagderfolge unter schlechtesten Bedingungen statt. Der erfolgreichen Durchquerung von Baffin Island folgten Zeiten extremer Kälte und von Hunger. Nach dem Verzehr von Eisbärfleisch auf dem Rückweg wurden Hantzsch und einige seiner Begleiter krank. Die Inuit erholten sich wieder, er aber starb Ende Mai oder Anfang Juni 1911 am Ufer des Foxe Basin, wo ihn seine Begleiter nahe einem Fluss bestatteten. Der Fluss trägt inzwischen seinen Namen, aber sein Grab wurde bis heute nicht gefunden.

Karte mit Hantzsch River


Dank der begleitenden Inuit gelangten seine Aufzeichnungen und Teile seiner Sammlung zu seiner Familie nach Dresden. Die Exponate wurden zwischen den unterstützenden Institutionen aufgeteilt und Auszüge aus seinen Aufzeichnungen publiziert. Die Veröffentlichung seines Reisewerkes scheiterte jedoch an den wirtschaftlichen Bedingungen nach dem 1. Weltkrieg. Erst 1977 erschien eine englische Übersetzung in Kanada, eine deutsche Ausgabe fehlt noch.

Straßenschild in Dresden. Hantzschstr.
Straßenschild in Dresden

Immerhin aber gibt es in Dresden eine Hantzsch-Straße; auf Initiative rühriger Enthusiasten trägt heute die Grundschule in Hartha seinen Namen und beherbergte jahrelang auch eine Bernhard Hantzsch gewidmete Dauerausstellung. Diese soll in neuer Gestalt künftig in der ehemaligen Schule in Grillenburg – Hantzsch‘ erster Wirkungsstätte – zu sehen sein. Eine angemessene und umfangreiche Würdigung des Wirkens und der außergewöhnlichen Leistungen von Bernhard Hantzsch in Deutschland steht aber bis heute – zu seinem 150. Geburtstag – noch aus.

Bernhard-Hantzsch-Grundschule in Hartha
Die Bernhard-Hantzsch-Grundschule in Hartha



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2 Antworten zu Kaum bekannt und wenig erinnert

  1. André Kaiser sagt:

    Danke für diese Würdigung und die bisherige gute Zusammenarbeit. MfG André Kaiser, Ortsvorsteher und Ortschronist in Kurort Hartha

  2. Ullrich Wannhoff sagt:

    super gut geschrieben und alles in der Kürze gesagt. Leider interessieren sich zu wenig, was die Geschichte der Naturwissenschaft betrifft. Es ist schon verrückt, dass wir Deutschen nicht in der Lage sind das Original Tagebuch von Hantzsch herauszubringen. Übrigens Königswartha ist heute noch ein großes Vogelgebiet in Sachsen Lausitz. Da hat sich nichts geändert. Wunderschöne Gegend mit See- und Fischadler. Ich war viel zuwenig dort, als ich in Dresden lebte. Man braucht ein Auto. Bis weit Ende des 20. Jh. haben Ornithologen noch Vögel geschossen für die Wissenschaft. Mit der DNA Analysen und Gen-Wissenschaft hat sich das erledigt. Das ist auch gut so. Dadurch gerät das Linneische System, die Binominale Nomenklatur, ins Wanken.

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