Matthäus Warmow, Berthold Seemann – und Franklin

Dass der Sorbe Johann August Miertsching an der Entdeckung der Nordwest-Passage in der kanadischen Arktis und an der Suche nach der verschwundenen Franklin-Expedition beteiligt war, ist bekannt. Weniger bekannt ist jedoch, dass zwei weitere Männer aus Deutschland mit der Suche nach den 129 vermissten Seeleuten zu tun hatten, wenn auch nur indirekt.

Der Naturforscher Berthold Seemann

Berthold Seemann (28.2.1825-10.10.1871), ein in Hannover geborener Botaniker und Naturforscher, war unter Kapitän Henry Kellett an Bord des britischen HMS Herald an der Erforschung der Küsten entlang der Beringstraße beteiligt. Er schrieb darüber ein zweibändiges Reisewerk (1).

Die Kirche in Warmows Geburtsort Werben –
Foto: Wikimedia Creative Commons, Olaf Meister

Der sorbische Grönland-Missionar der Herrnhuter Brüdergemeine Matthäus Warmow / Matej Waŕmo (18.1.1818-29.3.1893) aus dem Niederlausitzer Werben bei Cottbus ist nahezu unbekannt. Wie auch Miertsching wuchs er in einem sorbischen Umfeld auf, lernte später Deutsch und während seines Missionsdienstes die grönländische Variante der Sprache der Inuit, Kalaallisut. Erst in Vorbereitung auf eine Rekognoszierungsreise nach Baffin Island im heutigen Kanada lernte er Englisch (2).

Das Eingangsportal der Royal Botanical Gardens, Kew (London)

Seemann zog es bereits im Alter von 19 Jahren nach England, um in den Royal Botanic Kew Gardens Botanik zu studieren. Schon zwei Jahre später wurde er als Teilnehmer der Expedition von HMS Herald (1845-1851) unter Kapitän Kellett berufen. 1848 schloss sich das Schiff dann der Suche nach der vermissten Franklin-Expedition an.

Sir John Franklin, hier kurz vor dem Start der verschollenen Expedition

Es patrouillierte – wie auch HMS Plover – in den Gewässern zwischen Alaska und Sibirien, ohne allerdings auf Spuren von Franklins Schiffen zu stoßen.

Allerdings traf die Herald im Sommer 1850 auf HMS Investigator unter Kapitän Robert McClure – mit Miertsching an Bord – bevor dieses Schiff auf der Suche nach Franklin weiter in die Arktis fuhr. Ob die beiden Teilnehmer aus Deutschland, Seemann und Miertsching, bei diesem Zusammentreffen ins Gespräch kamen, ist nicht überliefert. In ihren Büchern über die jeweiligen Expeditionen erwähnen sie einander jedenfalls nicht (1, 3).

Von Matthäus Warmow ist bisher kein Porträt bekannt. Man könnte sich ihn in der traditionellen Kleidung der grönländischen Inuit mit fellbesetztem Anorak und Seehundstiefeln vorstellen, der sich, wie auch Miertsching, in enger Zusammenarbeit mit den Inuit deren Sprache, Jagd- und Überlebenstechniken in der Arktis angeeignet hatte. Ab 1846 war er für zehn Jahre zunächst in Lichtenau (heute Alluitsoq) im Süden und dann in Lichtenfels (heute Akunnaat) im Südwesten Grönlands eingesetzt.

Die Mission-Station Lichtenau in Südgrönland
Die Missionsstation Lichtenfels in Südwestgrönland

Nach einem Heimaturlaub wurde er nach England entsandt, um dort in Fulneck im Schnellkurs Englisch zu lernen und Kapitän William Penny nach Baffin Island zu begleiten. Warmows Auftrag war, Möglichkeiten für die Einrichtung einer Missionsstation erkunden.

Kapitän William Penny

Pennys Schiffe „Lady Franklin“ und „Sophia“ lagen Ende Juni 1857 in Aberdeen, Schottland, zur Abfahrt bereit. Da zur gleichen Zeit Kapitän Francis Leopold McClintock mit der von Lady Franklin finanzierten „Fox“ zu einer weiteren Suchexpedition nach Franklin aufbrechen sollte, verwundert es nicht, dass Jane Lady Franklin mit der Nichte ihres Mannes, Sophia Cracroft, vor Ort war, um die Fox zu verabschieden.

Die Schiffe „Sophia“ und „Lady Franklin“ in der Arktis (Ausschnitt)

Lady Franklin war überzeugt, dass ein sprachmächtiger Missionar der Herrnhuter Brüdergemeine als Dolmetscher für die Suchexpedition bestens geeignet wäre. Zuvor hatte sie bereits versucht, Miertsching zu gewinnen, mit McClintock zu fahren. Doch trotz eines lukrativen Angebots hatte Miertsching nach seiner fünfjährigen Arktis-Odyssee abgelehnt, sich erneut dorthin zu begeben. Nachdem Lady Franklin Matthäus Warmow kennengelernt hatte, bedauerte sie sehr, dass dieser unabkömmlich war. Warmow berichtete nach Herrnhut:

Lady Franklin

„Lady Franklin, die wieder eine Expedition aussendet, und die seit 8 Tagen hier ist, bedauert sehr, daß ich nicht mit ihrem Schiff gehen kann. Ich war fast jeden Tag bei ihr und hatte ihr viel von der Grönländischen Sprache zu erklären und Fragen und Antworten im Grönländischem aufzusetzen. Sie wünscht, daß ich mich auch in der Region, in die ich komme, nach den früheren Expeditionen erkundigen und ihr im Herbst Nachrichten senden soll. Der Capitän von dem Schiff, welches Fox heißt und auch heute ausgehen will, hatte ebenfalls viele Fragen an mich. … Lady Franklin schätzt unsere Kirche und spricht sich für die Hülfe, die wir ihr geleistet haben, sehr dankbar aus …“ (4).

Darstellung des Suchschiffes „Fox“, Kapitän McClintock,
auf einer grönländischen Briefmarke

Warmows einjähriger Aufenthalt im Cumberland Sound von Baffin Island brachte nicht die erhofften Ergebnisse. Nach seiner Einschätzung war der Einfluss der dort aktiven Walfänger kontraproduktiv für eine erfolgreiche Missionierung der Inuit. Über die vermisste Franklin-Expedition hatte er nichts in Erfahrung bringen können.

Blacklead Island im Cumberland Sound

Zurück in Herrnhut, heiratete er 1862 und wurde erneut zur Mission nach Grönland entsandt, wo er bis 1883 (inzwischen mit einer zweiten Ehefrau, die erste war gleich nach der Ankunft verstorben) tätig war. 1897 starb seine Frau in Herrnhut und Warmow zog nach Kleinwelka, wo er am 29.3.1898 achtzigjährig starb. Sein Grab auf dem dortigen Gottesacker haben wir infolge der Verwitterung der Grabsteine nicht finden können.

Quellen:

(1) Berthold Seemann, Narrative of the voyage of H.M.S. Herald and three cruises to the arctic regions in search of Sir John Franklin. 2 Bände, London 1852

(2) Lubina Mahling: Der Grönlandmissionar Matthäus Warmow / Matej Waŕmo aus Werben, Serbska Pratyja, Domowina-Verlag Bautzen, 2023

(3) Johann August Miertsching: Reise-Tagebuch des Missionars Johann August Miertsching, welcher als Dolmetscher die Nordpol-Expedition zur Aufsuchung Sir John Franklins auf dem Schiffe Investigator begleitete. In den Jahren 1850 bis 1854, Verlag der Unitäts-Buchhandlung Leipzig, Gnadau 1855

(4) Missionsblatt der Brüdergemeine, Nr.8, August 1857 S. 131

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