Wanted! Gemälde gesucht!

reblogged vom Juni 2016/bearbeitet

Julius von Payers vermisster Zyklus zur Franklin-Expedition

Es ist jeweils nur ein kurzes Zeitfenster, das den Unterwasserarchäologen von Parks Canada zur Verfügung steht, um in die Arktis zurückzukehren und an den Wracks von HMS Erebus (gefunden 2104) und von HMS Terror (gefunden 2016) vor King Williams Island zu arbeiten. Die Logistik ist schwierig, denn selbst wenn bei uns längst Sommer ist, sind manchmal weite Bereiche der Arktis noch zu dicht mit Meereis bedeckt, als dass man dort einfach und gefahrlos tauchen könnte; dazu kommen Sturm und andere Hindernisse, die ein sicheres Arbeiten unter Wasser erschweren. Nicht immer gibt es so gute Ergebnisse wie im Sommer 2019 bei der Erkundung von HMS Terror.

Im Inneren von HMS Terror - © Parks Canada
Im Inneren von HMS Terror – © Parks Canada

Es wird alles in allem noch längere Zeit dauern, bis aus den Gegenständen – und etwaigen Dokumenten und Aufzeichnungen – die man aus den Schiffswracks bergen kann, endlich neue Erkenntnisse zum Schicksal der Expedition gewonnen werden können. Hier wollen wir auf ein anderes ungeklärtes Phänomen aufmerksam machen, das auch etwas mit Franklin zu tun hat: Das Verschwinden der Franklin-Gemälde von Julius von Payer.

Der Franklin-Zyklus
Payer war bereits ein berühmter Kartograf und Arktisforscher, als er sich entschloss, Kunstmaler zu werden. Dabei war es ihm von Beginn an ein Anliegen, das fast spurlose Verschwinden der Franklin-Expedition bildlich zu gestalten. Er konzipierte einen Zyklus von vier (oder fünf?) Monumentalgemälden mit den Arbeitstiteln:
Der Tod Franklins (Death of Franklin) 1889
Das Verlassen der Schiffe (Abandoning vessels) 1885
Gottesdienst auf dem Eis (Bible reading) 1888
Die Bai des Todes (Starvation Cove) 1883

Franklins Tod, Julius von Payer, Reproduktion, Sammlung Cyriax
Franklins Tod, Julius von Payer, Reproduktion, Sammlung Cyriax

Ein angedachtes fünftes Gemälde sollte wohl das Auffinden von Überresten der Franklin-Expedition durch Francis Leopold McClintock im Jahr 1859 darstellen.

Gottesdienst auf dem Eis, von Julius von Payer, Reproduktion, Sammlung Cyriax
Gottesdienst auf dem Eis, von Julius von Payer, Reproduktion, Sammlung Cyriax

Julius von Payer studierte an verschiedenen Kunstschulen und in Ateliers berühmter Maler. Er reiste mindestens zwei Mal nach London, um Skizzen und Studien für seine geplanten Gemälde anzufertigen. Auf einer Werft in Chatham besichtigte er Schiffe, die baugleich zu Erebus und Terror waren. Er besuchte Museen in Greenwich, studierte das Franklin-Denkmal am Waterloo Place in London und erhielt ein Kopfrelief von Kapitän Fitzjames von der HMS Erebus. Sophia Cracroft, Franklins Nichte, stellte Fotos von Kaptän Crozier von HMS Terror und anderen Seeleuten zur Verfügung. Von Frederick Schwatka, Leiter einer amerikanischen Suchexpedition, erhielt er eine Skizze von Starvation Cove, dem Fundort von Leichen und Überresten der Franklin-Expedition.

Taucher am Wrack von HMS Erebus - Parks Canada – © Parks Canada
Taucher Filippo Ronca am Wrack von HMS Erebus – © Parks Canada

Bestens vorbereitet, malte Payer zunächst „Die Bai des Todes“. Das Bild wurde ab 1883 mit viel Erfolg in Galerien europäischer Städten gezeigt, erregte überall großes Aufsehen und wurde mit Auszeichnungen dekoriert. Leider konnte bis heute keine Abbildung dieses Gemäldes nachgewiesen werden. Die weiteren Gemälde folgten, und alle vier wurden 1896 in der Londoner Grafton Gallery ausgestellt. Dann verliert sich ihre Spur.

Das Verlassen des Schiffs, von Julius von Payer, Reproduktion, Sammlung Cyriax
Das Verlassen des Schiffs, von Julius von Payer, Reproduktion, Sammlung Cyriax

Da Fotografie und Reproduktionstechnik zu der Zeit noch in den Kinderschuhen steckten, sind keine farbigen Reproduktionen dieser Gemälde bekannt. Es existieren heute nur noch Skizzen und Studien zu einigen der Gemälde. Der Zyklus wurde vermutlich komplett oder in Teilen nach USA verkauft. Payer malte dann 1897 eine zweite Variante der „Bai des Todes“, die heute in einem Prager Institut hängt.

Bai des Todes - Version von 1897 im Geophysikalischen Institut der Akademie der Wissenschaften zu Prag
Bai des Todes – Version von 1897 im Geophysikalischen Institut der Akademie der Wissenschaften zu Prag

Es gibt Hinweise, dass sich alle oder ein Teil der verschwundenen Gemälde noch bis nach dem zweiten Weltkrieg im Besitz der belgischen Sammler-Familie O’Meara in Brüssel befunden haben. Durch das Auffinden der Wracks von HMS Erebus und HMs Terror ist das Interesse natürlich groß, auch den Verbleib der Gemälde Payers aufzuklären. Immer wieder tauchen Studien und Varianten zu den Gemälden auf. Sie wurden auf Ausstellungen in Wien (1973), Prag (2006) und in Teplice (2011 und 2015) gezeigt. Nur die Originale bleiben – vorerst – verschwunden.

Das Verlassen des Schiffs – vermutlich eine Studie, die 2015 in Teplice ausgestellt wurde. Foto: Radek Svítil
Das Verlassen des Schiffs – vermutlich eine Studie, die 2015 in Teplice ausgestellt wurde. Foto: Radek Svítil

Unklar ist auch, ob eine 1973 in Wien ausgestellte Reproduktion von „Bai des Todes“ aus der Sammlung Dr. Felizitas Haindl die Version von 1883 oder von 1897 zeigte. Leider gibt es laut Aussage der Österreichischen Nationalbibliothek keine Reproduktion der Reproduktion mehr. Vermutlich war die Entwicklung der modernen Malerei zu Beginn des 20. Jahrhunderts „schuld“ am Vergessen der monumentalen Franklin-Gemälde von Payer. Der Kunstmarkt und das Interesse der Sammler hatte sich längst anderen Malern wie Cezanne, Picasso, Matisse oder den deutschen Expressionisten zugewandt.

Bai des Todes – vermutlich Studie für das große Gemälde, Sparkasse Teplice
Bai des Todes – vermutlich Studie für das große Gemälde, Sparkasse Teplice

Doch wir (siehe auch Radek Svítil, Franklinova expedice) lassen nicht locker! Wer weiß etwas über den Verbleib der monumentalen Franklin-Gemälde von Julius von Payer?
Wesentlicher Unterschied zwischen den Varianten der „Bai des Todes“ von 1883 und 1897 ist übrigens eine zusätzlich im linken Teil des 1897er Gemälde aufgenommene Figur. Interessant dabei: Sie erinnert irgendwie an die Darstellung Frederick Schwatkas von Heinrich Wenzel Klutschak, einem der Teilnehmer der Schwatka-Expedition, der wie Payer aus Österreich stammte.

Frederick Schwatka, dargestellt von Heinrich W. Klutschak
Frederick Schwatka, dargestellt von Heinrich W. Klutschak

Siehe auch: Julius von Payer – Entdecker und Maler.

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