Die Überquerung des Atlantik ging zunächst zügig voran, doch vor der Küste Labradors stieß die „Harmony“ auf dichtes Treibeis und hatte zudem immer wieder mit starkem Nebel zu tun. Seit der Abreise aus London waren fast 6 Wochen vergangen, als Johann August Miertsching und seine Reisegefährten spät am Abend des 21. Juli 1844 in die von Inseln geschützten Gewässer vor Hoffenthal (Hopedale) segelten. Das war damals die südlichste von vier Herrnhuter Stationen an der entlegenen Küste Nordlabradors; weiter nördlich lagen Nain, Okak und Hebron.
„Die Küste ist felsig, ausgewaschen, mit vielen kleinen Buchten eingeschnitten und von unzähligen Felseneilanden umgeben. Das Innere des Landes besteht in einer öden, unbewohnbaren, gebirgigen Wildnis, welche mit großen Waldungen, Sümpfen und Seen angefüllt ist. Obgleich dieselbe einige Grade südlicher liegt als Grönland, ist die Kälte während des langen Winters doch heftiger.“ (1)
Als Miertsching am 22. Juli 1844 das Deck der Harmony betrat, lag vor ihm Hoffenthal im freundlichen Morgenlicht. Vor einem steilen, im oberen Bereich völlig kahlen Hügel, dessen Flanken an mehreren Stellen noch ausgedehnte Schneeflecken zeigten, standen das große Missionshaus, die Kirche und einige kleinere Gebäude auf felsigem Untergrund. Dahinter zog sich in einer von den steileren Hängen geschützten Delle ein Fichtenwäldchen den halben Berghang hinauf. Oben auf dem Gipfel stand eine Kanone, aus der nun ein Schuss abgefeuert wurde – das Signal für die in der Umgebung befindlichen Inuit, dass das Schiff gekommen war, mit dessen Ankunft sie noch nicht gerechnet hatten. (Auszug aus unserem Buch) (2)
Die Eisverhältnisse in der Labradorsee sind trotz der inzwischen verbesserten Navigationstechniken auch heute unberechenbar, und die globale Klimakrise verschärft dies noch. Als wir auf Miertschings Spuren Labrador erreichten, war es Anfang Juli, zwei Wochen früher im Jahr als damals Miertsching. … Wir hatten Glück: Das erste Treibeis tauchte erst nördlich von Okak auf. (Auszug aus unserem Buch) (2)
Hoffenthal – heute Hopedale – war für Miertsching nur eine Zwischenstation. Über Nain reiste er weiter nach Okak, wo er die nächsten fünf Jahre in der Brüdermission tätig war, das Leben der Inuit kennen und schätzen lernte und Erfahrungen erwarb, die später für die Arktis-Expedition mit HMS Investigator lebenswichtig für das Überleben der Crew wurden.
Übrigens kam Jahrzehnte später, 1879, Miertschings Tochter Marie mit ihrem Ehemann Hermann Theodor Jannasch nach Hopedale, um dort und später auch in anderen Missionsstationen in Labrador zu wirken.
(1) Kölbing, Friedrich Ludwig, Mission der evangelischen Brüder in Labrador, 1831, S.4
(2) Mechtild Opel, Wolfgang Opel: Weil ich ein Inuk bin. Johann August Miertsching, Ein Lebensbild, Berlin 2022, S. 51