Im Tagebuch steht mehr als nur der Text

Eine Würdigung aus Anlass des 207. Geburtstags von Johann August Miertsching

Blick in Miertschings handschriftliches Tagebuch
Einblicke in das handschriftliche Tagebuch von Johann August Miertsching

Herbst 1850: der erste arktische Winter für die Crew von HMS Investigator hatte begonnen. Das nun fest im Eis der Prince-of-Wales-Strait eingeschlossene Schiff war als Winterquartier eingerichtet und fest mit Schneeblöcken umhüllt worden. Aufgespannte Segel über dem Deck boten Schutz gegen Wind und Schnee und Raum für Bewegung. Die Tage wurden nun deutlich kürzer, und bei klarem Wetter waren fast täglich Nordlichter zu sehen. Johann August Miertsching bezeichnete sie in seinem Tagebuch – obwohl er das bestimmt nicht in der Schule gelernt hatte – exakt mit ihrem lateinischen Namen: Aurora Borealis. Tagsüber beobachteten sie zuweilen Nebensonnen, »jeden Tag nachmittag zwei Stunden lang gar drei oder vier – ungefähr in dieser Gestalt

Miertschings Zeichnung einer Halo-Erscheinung
Aus Miertschings Tagebuch: Zeichnung einer Halo-Erscheinung mit Nebensonnen

Das ist eine der wenigen Zeichnungen, die uns in Miertschings handschriftlichem Tagebuch überraschten. Sie zeigt nicht nur die beiden Nebensonnen dieser Halo-Erscheinung, sondern noch einer dritte unterhalb – ungewöhnlich, wahrscheinlich eine Reflexion auf der Eisfläche des Meeres.

Beispiele aus Miertschings handschriftlichem Reisetagebuch
Miertsching handschriftliches Tagebuch enthält neben genauen Beschreibungen auch eine Tabelle der erfolgreich gejagten Tiere, deren Fleisch das Überleben ermöglichte, sowie einige Zeichnungen, die z.B. einen Lastschlitten, ein Zelt sowie einen Moschusochsen zeigen

Miertschings Tagebucheintragungen sind Zeugnisse seiner genauen Beobachtungsgabe; oft beschreibt er Situationen, Landschaften und Naturerscheinungen detailreich und in bildhafter Sprache. Das Tagebuch offenbart aber auch, dass er, der nur ein Dorfschule besucht und bestimmt nie Zeichenunterricht hatte, sogar über zeichnerische Talente verfügte. Ein Beispiel ist die Zeichnung von HMS Intrepid, das Schiff, auf dem er nach der Rettung der „Investigators“ fast ein Jahr lang lebte. Es ist eine der wenigen bildlichen Darstellungen dieses Schiffs, das seit 1854 in der Arktis verschollen ist.

HMS Intrepid by Miertsching
HMS Intrepid (1850-1854), gezeichnet von Johann August Miertsching

Vielleicht hat Miertsching noch mehr gezeichnet? Nach der Rückkehr von der Arktisreise war er beim sächsischen König eingeladen: »Meine Bilder, welche er sich genau betrachtete, schienen ihn zu interessieren.« Acht Bilder von der Reise der Investigator, die der zweite Offiziers Samuel Cresswell angefertigt hatte, waren als Mappe im Druck erschienen, und Miertsching besaß eine dieser heute überaus seltenen Mappen.

Front page of the Cresswell Folder
Deckblatt der Mappe mit den Bildern von Leutnant Samuel Gurney Cresswell.

Vermutlich hatte er dem König diese Mappe vorgelegt – oder waren es vielleicht doch eigene Zeichnungen? Es wird wohl ein Geheimnis bleiben – außer wenn jemand in der Oberlausitz oder anderswo, vielleicht in einer Kiste auf dem Dachboden, noch unbekannte Papiere aus Miertschings Nachlass entdecken sollte.

Über Miertsching Arktisreise gibt hier auf dem Blog mehr, z.B. : Der erste Oberlausitzer, der die Amerikas umrundete.

Mehr über diese interessante und vielseitige Persönlichkeit in unserem Buch „Weil ich ein Inuk bin. Johann August Miertsching – Ein Lebensbild„, erschienen im Lukas Verlag.

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