Der erste Oberlausitzer, der die Amerikas umrundete

Vor genau 205 Jahren, am 21. August 1817, wurde der Oberlausitzer Sorbe Johann August Miertsching in Gröditz bei Weißenberg geboren. Wie er in seiner Jugendzeit und als junger Mann seinen Geburtstag beging, ist nicht überliefert. Es werden sicher heitere und glückliche Tage dabei gewesen sein, ob in Gröditz, in Kleinwelka oder auch bei den Inuit in Labrador.

Okak - Reichel
Okak, Miertschings Wirkungsstätte in Labrador. Zeichnung von L.T. Reichel,
Archiv der Evangelischen Brüdergemeine in Herrnhut

Anders war es am 21. August 1848, an seinem 31. Geburtstag, als er mit schweren Herzen am Bootsanleger in Okak in Labrador stand und dem Ehepaar Herzberg nachschaute, seinen vertrauten Kollegen, die das Missionshaus verlassen hatten, um an Bord der Harmony nach dem weiter nördlich gelegenen Hebron zu reisen. Eigentlich wollten sie ja nach Deutschland zurückkehren, doch die Nachrichten über die revolutionären Ereignisse in Deutschland im Frühjahr, die mit dem Schiff angekommen waren, hatten sie abgeschreckt.

Das Missionsschiff Harmony
Mit der „Harmony“ reiste Miertsching von und nach Labrador; 1848 reisten die Herzbergs mit ihr von Okak nach Hebron

Schon zwei Jahre später befand sich Miertsching Bord von HMS Investigator, die auf der Suche nach der verschollenen Franklin-Expedition von Alaska her im Polarmeer unterwegs war und nun bei Pelly Island – nahe der Mündung des Mackenzie River – ankerte. Seinen Geburtstag feierte er hier in aller Stille gemeinsam mit zwei befreundeten Schiffskameraden – dem zweiten Schiffsarzt Piers und seinem „Bediensteten“, Korporal Farquarson.

An der Mündung des Mackenzie River - Tuktuyaktuk
An der Mündung des Mackenzie River, hier bei Tuktoyaktuk

Ein Jahr danach, 1851 (inzwischen hatten sie die Nordwestpassage gefunden!!!) verbrachte Miertsching seinen 34. Geburtstag in sehr niedergedrückter Stimmung am Ballast Beach auf der Nordseite von Banks Island, wo das Schiff einige Zeit vom Eis eingeschlossen war. In seinen seinen Aufzeichnungen bekannte er, dass er, zur Untätigkeit verurteilt, mit der „gnädigen Führung“ Gottes unzufrieden sei und ihm Geduld, Glaube, Liebe und Hoffnung fehlten. In der nutzlosen Wartezeit beschäftigte er sich immerhin mit dem Sammeln von Pflanzen und Fossilien.

HMS Investigator, Cresswell
Wenige Tage danach verließ das Schiff Ballast Beach, geriet aber dann in eine sehr gefährliche Position (Lithografie nach S.G. Cresswell)

Bei seinen dritten Geburtstag im Polarmeer – 1852 wurde er 35 Jahre alt – war die Situation nahezu hoffnungslos: Die Investigator war fest im Eis eingefroren, das auch im Sommer nicht aufbrach, und alle litten Hunger; einige waren an Skorbut erkrankt. Im Tagebuch erwähnte Miertsching die „niedergeschlagene Mannschaft“, über seinen Geburtstag vermerkte er nur knapp: „Ich verbrachte den heutigen Tag auf dem Lande, und wanderte einsam herum.

HMS Intrepid
HMS Intrepid, gezeichnet vom Miertsching, der ein beachtliches Zeichentalent besaß; erstmals abgedruckt im Buch „Weil ich ein Inuk bin“. © Jannasch collection

Genau ein Jahr später befand er sich zwar gerettet an Bord von HMS Intrepid, doch auch diese trieb hilflos mit den Eisschollen umher, anstatt zielgerichtet nach England segeln zu können, und seine Hoffnung, endlich heimzukehren, schwand. Zusätzlich durch eine starke Erkältung beeinträchtigt, drückte er seine Stimmung im Tagebuch mit dem Vers eines Kirchenliedes aus, das oft bei Beerdigungen ertönte: „Ach wär ich doch schon droben, mein Heiland…„.

Beechey Island
Das Polarmeer vor Beechey Island – ohne Eis im Sommer 2012

Hingegen gab es 1854, als er das fünfte Mal seinen Geburtstag im Polarmeer beging, beste Aussichten für die Heimkehr: die Eisdecke vor Beechey Island, wo man überwintert hatte, war bereits in Schollen zerbrochen, und davor lag offenes Wasser. Daheim angelangt, konnte er 1855 seinen Geburtstag endlich wieder mit Eltern und Geschwistern feiern. Ein Jahr später war er um den 21. August damit beschäftigt, eine Frau zu finden, die ihn bei seiner kommenden Entsendung als Herrnhuter Missionar nach Südafrika begleiten würde.

Cape Agulhas
Leuchtturm am Cape Agulhas, an der Südspitze Südafrikas

Seinen 40. Geburtstag, 1857, feierte er bereits dort, nämlich im nahe am Cape Agulhas gelegenen Elim, nun zusammen mit seiner Frau Clementine Auguste und den Elimer Missionarskollegen. Doch er war nicht ganz glücklich: Es plagten ihn schwere Zweifel über den Sinn seiner Tätigkeit, denn sie unterschied sich stark von seiner Arbeit als Missionar bei den Inuit 1844-49, die er als sehr sinnvoll und befriedigend empfunden hatte. In den folgenden Jahren erlebte seine Familie mancherlei Glück, aber noch viel mehr Leid. Das Auf-und-Ab im Leben Miertschings haben wir nun erstmals in dem biografischen Werk „Weil ich ein Inuk bin. Johann August Miertsching – ein Lebensbild“ zugänglich gemacht, das vor zwei Wochen erschienen ist.

Miertsching Biografie

Das Werk ist überall im lokalen Buchhandel verfügbar, bzw. bestellbar.

Zu Miertschings 200. Geburtstag hatten wir bereits 2017 gebloggt.

Dieser Beitrag wurde unter Arktis, Bücher, Franklin, Geschichte, Inuit, Labrador, Miertsching, Nordwestpassage, Polarexpeditionen abgelegt und mit verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert