Die Lachse warten, bis das salzige Wasser am Ufer ansteigt und sie in die Flüsse wandern können. Die Flut bricht die vorgeschobene Sandbank zum Fluss auf und zieht die Fische hinein. In der aufgerissenen sandigen Flussmündung treffen die Wellenschläge auf süßes Wasser und vermengen sich damit. Möwen jauchzen und schreien. Langgezogene Stimmen. Für sie beginnt das große Fressen.
Mit jedem neuen Wellenschlag ziehen die Lachse weiter in den Fluss und wandern nun kräftig gegen die Strömung. Ihr dunkler Rücken schaut aus dem flachen Wasser heraus. Es sind Buckellachse. Die Männchen haben einen Buckel und weißes Fleisch.
Manch starke Welle treibt den Lachs an das sandige Ufer. Gierig und mit Leichtigkeit ziehen die Beringmöwen die Lachse von dort weg. Das erste, was sie picken, sind die Augen. Manch ein Lachs schafft es dann doch noch zurück ins Wasser – aber eben blind.
Im Streit mit anderen Möwen zerren sie an dem aufgerissenen Körper. Für die gestrandeten Lachse ist die Wanderung zu Ende. Zwei bis drei Jahre haben sie im offenen Meer verbracht, bis hierher gelang es ihnen, den Fressfeinden – Seehunden, Schwertwalen und den Menschen – auszuweichen.
Dunkle Wolken vermischen sich mit dem schwarzen Meereshorizont und untermalen den täglichen Kampf in der Natur. Nur im Osten hinter dem schwarzen Basalt bricht sich das Licht eines gebündelten Sonnenstrahls auf der Meeresoberfläche und versilbert den Strich. Die meisten Lachse schaffen es bis in das tiefere Flusswasser. Hier ruhen sie bis, bis sie wieder zu Kräften gekommen sind und wandern dann weiter zu ihren Laichplätzen, weit oben am Fluss, da wo er immer schmaler wird.
Die Männchen färben sich an den Flanken leicht rosa mit dunklen Flecken auf der silbrig grünen Haut. Ihr Hormonhaushalt verändert sich im Süßwasser. Der Laichhaken schiebt sich nach vorne. Durch die Deformierung kann der Lachs keine Nahrung mehr aufnehmen. Die Hochzeit kann beginnen, genau da, wo zwei, drei Jahre zuvor ihre Geburtsstätte war. Der Laich wird an den Kiesbänken frei gesetzt. Nur einmal Sex im Leben. Die männliche Milch befruchtet die Eier.
Danach beginnt das große Sterben. Der Tod beginnt an der Schwanzflosse sichtbar zu werden und endet zuletzt am Kopf. Der Leib verfärbt sich von hinten nach vorne in Ockerfarben mit fleckigen hellen Mustern.
Entkräftet lassen sich die Lachse mit der Strömung des Flusses in Richtung Meer treiben. Der hilflose Versuch, immer wieder gegen die Strömung anzukämpfen, scheitert. Der Tod ist stärker.
Zu Tausenden liegen sie am kiesigen Ufer. Kräftiger herbstlicher Regen lässt die Flüsse ansteigen. Ein letztes Mal gegen die Strömung ankämpfen. Der helle Bauch nach oben, so schwimmen die toten Seelen – wie eine Boje. Das Wasser tritt über die Ufer und räumt die Uferzonen von toten Lachsen frei. Einige geraten mit der starken Strömung zurück ins Meer. Ein anderer Teil der Lachse verwest im Fluss. Ihre Körper bilden im Naturkreislauf letztlich Nahrung für kommende Generationen.
Mein malerischer Zyklus „Leben und Sterben“ anhand der Lachse versinnbildlicht unser vergängliches Leben. Vor etwa sieben Millionen Jahren hat sich der Mensch blutig aus der Natur geschält. Von Steinwerkzeugen zum Computer. Mit dem Beginn der Sesshaftigkeit vor etwa 10.000 Jahren begann er sich eine Parallelwelt zur Natur aufzubauen – der Beginn des Anthropozäns. Heute hängen wir an Rohstoffen, am Konsum. Unser Leben wird mit Werbemüll zugedeckt. Maschinen übernehmen das Denken, weil die effizienter sind. Der Mensch schafft sich selbst ab. Aus Sicht der Evolution, ein normaler Prozess; für unser kurzes Leben, ein schmerzlicher Widerspruch, den der Mensch täglich verdrängt. Im meinen Bildern vermischt sich die eingeklebte Werbung, das alltägliche Rauschen des angeheizten Konsums, mit der Farbe, die expressiv und verletzend schreit.