Farley Mowat wurde genau heute vor 99 Jahren, am 12. Mai 1921, geboren. In seiner Heimat Kanada sprechen manche von ihm als einem Schriftsteller, der, obwohl er es hin und wieder mit manchen Fakten gar nicht sehr genau nahm, dennoch immer die Wahrheit schrieb. Sind seine „Erlebnisberichte“ in Wirklichkeit erfunden, sind es Romane? Der Geschichtenerzähler veröffentlichte seit den 1950er Jahren 44 Bücher; in vielen davon, die wie Erlebnisberichte wirken, sind die Abgrenzungen zwischen „non-fiction“ und „fiction“ fließend. Inzwischen wird solcherart Literatur, für die er als Pionier stand, als „faction“ oder „creative nonfiction“ akzeptiert und gefeiert.
„Der engagierte Umweltschützer Farley Mowat (geb. 1921) wurde mit Büchern über die grandiose Natur des Nordens („Ein Sommer mit Wölfen“) und die schwere Situation der Caribou-Inuit bekannt („Gefährten der Rentiere“, „Chronik der Verzweifelten“). … Mowats leidenschaftlicher Einsatz für den Schutz der nordischen Natur, der auch in seinen jüngeren, frühere Erlebnisse behandelnden Büchern „No Man’s River“ und „Eastern Passage“ (beide bisher nicht auf Deutsch) zum Ausdruck kommt, brachte ihm Freunde wie Feinde ein.“ – zitiert nach: Kanada. Alles, was sie über Kanada wissen müssen (Länderporträt), MANA-Verlag, S. 333f.
Eines von Mowats größten Verdiensten ist, dass er erstmalig vielen seiner Landsleute bewusst machte, dass Kanada jenseits der dichter besiedelten Region um den 49. Breitengrad auch noch einen Norden hat, einen riesigen Raum voller Schönheit, in dem seit Jahrtausenden Menschen in und mit der rauen Natur leben. Auch wenn sich nicht wenige „Northerners“ fanden, die seinen Umgang mit den Fakten kritisierten: Kein anderer Autor hat dem Publikum derartig wirksam, voller Enthusiasmus und Liebe, den kanadischen Norden – mitsamt seinen Problemen – nahe gebracht. Durch sein Buch People of the Deer (dt: Gefährten der Rentiere) trug er maßgeblich dazu bei, dass ein Inuit-Volk, die Ahalmiut, überleben konnte. Diese „Karibu-Inuit“ lebten in einer abgelegenen Region der Arktis und hatten nur wenig Kontakte mit Fremden. Wegen des erhöhten Abschusses von Karibus viel weiter südlich fand die massenweise Migration dieser Tiere nach dem Norden damals nicht mehr so statt wie zuvor. Dadurch war den Ahalmiut ihre Hauptnahrung weggefallen, und sie waren vom Verhungern bedroht.
Farley Mowat ist als einer von Kanadas ersten und engagiertesten Natur- und Umweltschützern bekannt geworden. Sein Einfluss ging aber über seine Heimat hinaus und erreichte sogar den Naturschutz in der Sowjetunion, nachdem sein Buch Never Cry Wolf (dt: „Ein Sommer mit Wölfen“; verfilmt von Disney als „Wenn die Wölfe heulen“) von 1963 auch ins Russische übersetzt wurde. Bis dahin hatte man in der Sowjetunion einen Vernichtungsfeldzug gegen Wölfe geführt. Wie auch anderswo in der Welt leitete das Buch dort eine tiefgreifende Veränderung der Einstellung zu diesen Tieren ein, die man zuvor lediglich als gefährliche, aggressive Schädlinge betrachtet hatte.
Unterhaltsame, heitere, humorvolle Bücher – in Deutschland wurde „Das Boot, das nicht schwimmen wollte“ und „Der Hund, der mehr sein wollte“ bekannt – gehören zu Mowats Werk ebenso wie Bücher mit geschichtlichen Themen. Faszinierend, wie er in The Farfarers die Möglichkeiten betrachtet, dass lange vor der Neuzeit und sogar vor den Wikingern bereits Entdecker von den Orkney-Inseln Kanada erreicht haben könnten: Grundlage sind archäologische Funde auf Pamiok Island. Die Nachbildung eines solchen möglichen Bauwerkes – das Steinfundament eines Langhauses, dessen Dach ein mit Walrosshaut bespanntes Boot bildet – wurde von Freunden in Mowats Garten in Port Hope aufgestellt.
Mowats Bücher wurden in viele Sprachen übersetzt und in über 50 Ländern insgesamt mehr als 17 Millionen Exemplare verkauft, was ihn zum wohl erfolgreichsten Autor Kanadas macht. Mehrere seiner Bücher wurden verfilmt, darunter The Snow Walker („Der Schneewanderer“).
Zeitgenossen berichten über Begegnungen mit ihm als einen liebenswerten, manchmal auch verstörend Unangepassten, hinter dessen gelegentlich bärbeißigem Auftreten sich ein fröhlicher, bezaubernder und sehr einfühlsamer Mensch verbarg.
Farley Mowat liebte die Natur nicht nur – er studierte sie, schrieb über sie, brachte sie anderen Menschen nahe und tat sein Bestes für ihren Schutz. In großzügiger Weise hat er mit der Schenkung von über 80 Hektar Land auf Cape Breton Island, als künftigem Naturschutzgebiet, den Nova Scotia Nature Trust unterstützt. Vor 6 Jahren, am 7. Mai 2014, ging das erfüllte Leben eines leidenschaftlichen Menschen zu Ende.