Polar Bear Week – und Arthur Conan Doyle
Hatte Sherlock Holmes jemals etwas mit Eisbären zu schaffen? – Ich kenne das Werk des berühmten Arthur Conan Doyle leider nicht genau genug, um zu wissen, ob jemals in irgendeiner seiner Detektiv-Geschichten ein Eisbär eine Rolle spielt. Kann jemand helfen?
Sicher ist eins: der Schädel eines dieser großartigen Arktisbewohner schmückte das Arbeitszimmer Arthur Conan Doyles. Der Autor der berühmten Kriminalgeschichten um Sherlock Holmes und Dr. Watson konnte nämlich als junger Mann sehr, sehr gründlich Arktis-Luft schnuppern: Dem damaligen Medizinstudenten war eine Position für sechs Monate als Schiffsarzt auf dem Walfänger Hope angeboten worden.
Das Schiff mit dem jungen Doyle an Bord läuft Ende Februar 1880 in Richtung Grönland aus. Der damals Zwanzigjährige erhält von seinen Kameraden bald den Spitznamen „großer Eistaucher“. Denn bei der einträglichen, aber lebensgefährlichen Jagd auf Robben, die er als „blutiges Handwerk“ bezeichnet, fällt er wiederholt ins Eismeer! Glücklicherweise kann der kräftige junge Mann sich stets retten – oder gerettet werden – und anschließend wohlbehalten in trockene Kleidung schlüpfen.
Der junge Medizinstudent ist anfangs noch total unerfahren und muss in kurzer Zeit sehr viel dazulernen, nicht nur aus Büchern, sondern vor allem von seinen Schiffskameraden. Natürlich übernimmt er damit unbewusst zunächst auch deren teilweise überheblichen Meinungen und Haltungen gegenüber der arktischen Tierwelt – auch gegenüber Eisbären. So schreibt er am 26. März: … Eclipse [ein anderes Walfänger-Schiff] erwischte heute einen Bären, und wir sahen die Spuren eines anderen im Schnee neben dem Schiff. Sie sind feige Geschöpfe, wenn sie nicht gerade in die Ecke gedrängt werden.
Normalerweise sind im Frühjahr, wenn die Robben Nachwuchs bekommen, viele Eisbären auf dem Eis unterwegs. Die Hauptnahrungsquelle der Eisbären sind Robben – mehr dazu auf S. 185 in unserem Buch; und auch die Kadaver toter Wale sind ein ergiebiges Nahrungsreservoir – vgl. S. 191 hier. Somit stehen die Eisbären in direkter Konkurrenz zu den Männern an Bord der Hope.
Das weiß auch Arthur Conan Doyle, und daher verwundert er sich am 23. April zu Recht: Es ist außergewöhnlich, dass wir bislang keinem Bären begegnet sind. Erstmals erblickt er am 26. Mai einen Eisbären ganz in der Nähe des Schiffes. Dieser konnte den Jagdversuchen der Männer jedoch entkommen. Erst im Juni tauchen Eisbären auf der Liste der Jagdbeute der Hope auf: 12. Juni … 1 Bär; … 18. Juni: 1 Bär & 2 Junge; … Insgesamt werden 1880 von der Besatzung der Hope fünf Eisbären erlegt. Arthur Conan Doyle erwähnt im Tagebucheintrag vom 1. Juli, dass er nun einen Eisbärenschädel besitze.
Arthur Conan Doyles Meinung über Eisbären hat sich im Laufe der Zeit etwas konkretisiert.
So schreibt er etwa 1897 in einem Magazin-Artikel über seine Reise auf dem Walfang-Schiff: … überall gibt es Bären. Die Eisschollen in der Umgebung des Robbenjagdgebiets sind überzogen von ihren Spuren – arme harmlose Geschöpfe mit dem schlurfenden und schaukelnden Gang eines Hochseematrosen… Das klingt nicht besonders respektvoll; offenbar hatten die mit Gewehren bewaffneten Männer der Hope 1880 keine Situation erlebt, in der ein Eisbär ihnen gefährlich wurde. Eisbär-Mütter mit Jungen verhalten sich in der Regel defensiv und vermeiden Situationen, die ihre Jungen in Gefahr bringt – siehe S. 212 hier. Und auch erfahrene männliche Eisbären verhalten sich überwiegend vernünftig und gehen Konfrontationen aus dem Wege; es sind hauptsächlich die jungen, unerfahrenen und zumeist hungrigen Eisbären, die Menschen angreifen – mehr S. 220 hier.
Conan Doyle muss aber auch Eisbären bei der Robbenjagd beobachtet haben, und hier kann er ihnen seinen Respekt nicht versagen:
… sie haben eine sehr gewitzte Methode, sie zu fangen, denn sie suchen sich stets ein großes Eisfeld mit nur einem Blasloch für Robben in der Mitte. Dorthin hockt sich der Bär und krümmt seine mächtigen Vordertatzen um die Öffnung. Dann, wenn die Robbe ihren Kopf aus dem Wasser streckt, schnappen große Tatzen zu, und Meister Petz bekommt sein Mittagessen.
Über Arthur Conan Doyles Erlebnisse auf der Hope konnte man im Januar 1897 in The Strand Magazine den Artikel „Life on a Greenland Whaler“ lesen. Der mareverlag hat 2015 das Tagebuch seiner arktischen Reise in deutscher Sprache herausgegeben: „Heute dreimal ins Polarmeer gefallen“ in der Übersetzung von Alexander Pechmann, in einer sehr schönen illustrierten Ausgabe, mit Faksimiles der Handschrift einschließlich bezaubernder Zeichnungen.