Nach drei Überwinterungen im arktischen Eis war die Suchexpedition an Bord von HMS Investigator nur knapp einer ebensolchen Katastrophe entgangen, wie sie die gesuchte Franklin-Expedition ereilt hatte…
reblogged vom 15. Mai 2013 – damals hieß es im Titel „… vor 160 Jahren…“
English version here.
Total erschöpft waren die Männer von der HMS Investigator, die Anfang Mai 1853 einen über zweiwöchigen Marsch von der Mercy Bay auf Banks Island über das Eis des Nordpolarmeeres nach Dealy Island vor Melville Island (heute: kanadische Arktis, Nunavut) unternahmen. Hier lagen die rettenden Schiffe HMS Resolute und HMS Intrepid im Eis, hier gab es Lebensmittel und warme Kleidung. Die Männer waren dem Tod durch Hunger und Krankheit nur knapp entronnen. Die meisten waren stark vom Skorbut betroffen und gehörten aufs Krankenlager; nur wenigen, wie Johann August Miertsching und Samuel Gurney Cresswell, ging es etwas besser.
Schon drei Tage später brachen zwei von ihnen, begleitet von einem Trupp unbeschäftigter Matrosen von HMS Resolute, zu einem nächsten Fußmarsch durch die Arktis auf – nach Beechey Island, 300 Meilen im Osten, wo HMS North Star wartete. Lieutenant Cresswell sollte im Auftrag von Kapitän McClure die Nachricht vom Auffinden der Nordwestpassage sowie seinen erkrankten Kollegen Wynniatt so schnell wie möglich nach England bringen.
Johann August Miertsching, der sich ebenfalls bereits stark genug für den Marsch fühlte und nach drei strapaziösen Wintern in der Arktis gern nach Hause zurückgekehrt wäre, hätte seine beiden Gefährten ohne Zögern begleitet, aber der kommandierende Kapitän Kellet von der HMS Resolute wollte ihn – als den einzigen Inuit-Dolmetscher – zur Verfügung haben, um im kommenden Sommer die Inuit an den Küsten von Baffinland und Grönland nach dem Schicksal der verschollenen Franklin-Expedition zu befragen.
So machte Miertsching sich stattdessen erst einmal als erfolgreicher Jäger verdient: „Da wir nun in beiden Schiffen so viele Schwache und Skorbutkranke hatten, so wurde alles aufgeboten, diese mit frischem Fleisch zu versehen, welches die beste Medizin gegen den Skorbut ist; ich wurde … von Kapt. Kellet ersucht, auf die Jagd zu gehen … Im Mai und Juni schossen wir Muskoxen, Rennthiere, weiße Hasen und Schneehühner …“. Das brachte ihm zudem den Vorteil, dass er seine Zeit nicht in den überheizten und feuchten Schiffen in verbrauchter Luft verbringen musste, sondern im Jagdzelt kampierte und zwar noch recht kühles, aber durch die zahlreichen sonnigen Stunden insgesamt angenehmes Wetter genießen konnte.
Dass HMS Resolute und HMS Intrepid es damals nicht durch das arktische Eis schaffen konnten und schließlich aufgegeben wurden, ist bekannt.
160 Jahre später aber hat sich die Situation total geändert. 2011 passierten bereits 33 Schiffe die Nordwestpassage, und nachdem sie sich im Spätsommer 2012 nahezu eisfrei zeigte, wird es in diesem Jahr [gemeint ist 2013] sogar eine Ruder-Expedition geben, die die Durchquerung angeht: Drei Iren und ein Kanadier planen, die 3.000 km lange Passage in einer Saison nur mit ihrer Körperkraft zu durchqueren – der Klimawandel macht so einen Versuch möglich. Die vier Männer wollen bereits Anfang Juli von Inuvik in der Westarktis nach Pond Inlet (Baffin Island) starten. Sie haben vor, im Schichtbetrieb 24 Stunden täglich zu rudern, und veranschlagen 2-3 Monate für die Tour. Gesponsert wird diese Expedition von einer Firma für alternative, nachhaltige Energie-Erzeugung; damit soll die Aufmerksamkeit auf die katastrophalen Folgen der globalen Klimaerwärmung gelenkt werden.
Mehr zur Nordwestpassage folgt auf diesem Blog. Auch in unserem Kanada-Länderproträt findet man einen Abschnitt zur Entdeckung der Nordwestpassage.
Siehe auch „Ein Sorbe in der Arktis“ – und zukünftige Beiträge zum Thema
reblogged vom 15. Mai 2013 by Mechtild Opel
Nachtrag vom August 2022: Wir freuen uns sehr, dass unser Buch „Weil ich ein Inuk bin. Johann August Miertsching – ein Lebensbild“ im Sommer 2022 im Berliner Lukas Verlag erschienen ist.