Verfasst zum 100. Todestag des Autors / reblogged zum 103. Todestag
Dawson City an einem sonnigen Tag im September. Nach einigem Umherirren haben wir es endlich gefunden: das Jack London Museum. Ich schließe gerade den Truck-Camper ab, als „Das gibt es doch nicht, was macht Ihr denn hier?“ ertönt. Im Museumsgarten steht ein ehemaliger Kollege mit Familie, den ich seit Jahren nicht gesehen hatte. Welch ein Zufall! Sie waren auf dem Chilkoot Trail den Spuren der Goldsucher gefolgt. Und jetzt führt uns Jack London hier in Dawson City zusammen.
Es fällt nicht schwer, die Geschichten Jack Londons zu mögen. Sie enthalten alles, was gute Bücher ausmachen: Abenteuer, Spannung, sie sind leicht lesbar ohne trivial zu sein – und das auch noch mit einem Abstand von mehr als 100 Jahren. Dass wir heute manche Dinge anders beurteilen als Jack London zu seiner Zeit, ist durch den Lauf der tragischen Geschichte des 20. Jahrhunderts erklärbar.
Sein 100. Todestag am 22.11.2016 war Anlass, wieder einmal einige seiner Bücher in die Hand zu nehmen und zu lesen.
Wenn ich mich richtig erinnere, war mein erster Jack London ein dünnes Reclam-Heft, das vor 50 Jahren nur 50 Pfennige kostete – „Der Mexikaner Felipe Rivera – Wer schlug zuerst?“ Fasziniert war ich auch von der Geschichte des Einschlag-Glendons, eines jungen Boxers aus „Der Ruhm des Kämpfers“, der seine Gegner mit einem gewaltigen Schlag matt setzte. Für einen Grundschüler, der selber einige Monate zum Boxtraining gegangen war, eine schwer vorstellbare und irgendwie irritierende Geschichte.
Glücklicherweise besaß mein Vater einige Bände der Werkausgabe der Büchergilde Gutenberg in der Übersetzung von Erwin Magnus, die von 1928–1934 erschienen waren.
Die hellblauen Leinenbände mit den vergoldeten Rücken und ihrem dem Inhalt angepassten Buchschmuck waren durch häufigen Gebrauch schon etwas verschlissen.
„Die Abenteuer des Schienenstranges“ – über Jack Londons Erlebnisse als vagabundierender Hobo – habe ich mit einigem Abstand immer wieder einmal gelesen, wie auch sein Pendant von dem anderen Jack, Kerouacs „On the road“. Das Buch hatte ich Mitte der 1970er in einer Taschenausgabe in Budapest erstanden. Noch heute gönne ich mir gelegentlich einen Hellen Wiener á la Jack London – erfunden während dessen anarchistischen Streifzügen mit der Armee General Kellys durch Amerika:
„Und wir lebten großartig. Wir begnügten uns nicht einmal damit, uns unsern Kaffee mit Wasser zu kochen, sondern bereiteten ihn mit Milch, und das wunderbare Getränk nannten wir hellen Wiener.“
Es sollte aber einige Jahrzehnte dauern, bis ich den Ort erreichte, wo Jack London zum Schriftsteller wurde – am Klondike River im kanadischen Yukon, zu Zeiten des Goldrausches. Seine vielleicht bekanntesten Werke sind „Ruf der Wildnis“, „Wolfsblut“ und mein persönlicher Favorit „Die Liebe zum Leben“.
In Dawson City, einem Ort, der zu Jack Londons Zeiten gerade erst entstand, erinnert ein kleines Museum an den später weltberühmt gewordenen Autor.
Das interessanteste Objekt ist die halb-originale, halb-rekonstruierte Hütte, in der Jack London während seiner Zeit im Yukon gelebt hatte. In der Wildnis wiederentdeckt hatte sie der Journalist Dick North, der sie abbaute und mit Hilfe des berühmten Gwich’in Joe Henry, dem eigentlichen Wegbahner des „Dempster Highways“ (der aus diesem Grunde besser seinen Namen, „Joe-Henry Highway“, führen sollte), nach Dawson brachte. Nachlesen kann man die spannende Geschichte in North’s Buch „Jack London’s Cabin“.
Ich liebe nicht nur seine Geschichten aus dem Norden, sondern auch die rund um die Seefahrt, wie „Der Seewolf“ quer durch den Pazifik, oder „The Cruise of the Snark“ nach Hawaii und weiter.
Jack London genoss das Leben mit vollen Zügen, er liebte und bereiste die Südsee, jedoch immer unter dem Druck, seinen – trotz der Erfolge als Autor noch zu kostspieligen – Lebensstil durch intensives Schreiben zu finanzieren.
Mit gerade einmal 40 Jahren ging sein Leben früh zu Ende. Die genaue Ursache des Todes konnte nie geklärt werden. Es ist erstaunlich, was für ein Werk er in den wenigen Jahren schaffen konnte! Der größte Teil davon entfaltet sein Wirkung bis heute, auch noch 100 Jahre nach seinem Ableben.