Vor knapp 87 Jahren verstarb am 21.12.1933 der bekannte grönländisch-dänische Polarforscher Knud Rasmussen im Alter von nur 54 Jahren infolge einer Lebensmittelvergiftung. Als Sohn eines dänischen Missionars und Enkel einer Angehörigen der Kalaallit (Inuit) in Ilulissat an der Westküste Grönlands geboren, war er gemeinsam mit den grönländischen Nachbarskindern aufgewachsen und lernte von Beginn an ihre Sprache, Kalaallisut, was ihm seinen späteren ungewöhnlichen Lebensweg erst ermöglichte.
Rasmussen war nicht nur Ethnologe und Schriftsteller, sondern auch Hundeschlittenführer und Extremreisender. Während seiner sogenannten 5. Thule-Expedition befuhr er mit dem Schlitten die Nordwestpassage von Grönland bis nach Tschukotka – gerade noch rechtzeitig, bevor der Einfluss der weißen Händler, Missionare, Seeleute und Siedler begann, die Kultur der Inuit zu verändern.
Was weniger bekannt ist: Rasmussen war auch ein Filmemacher, der von den damals neuen Medien so beeindruckt war, dass er beschloss, einen eigenen Film über das Leben der Grönländer an der Ostküste zu schreiben und zu produzieren. Rasmussen war nicht der erste Filmemacher, der die Arktis und seine Bewohner zum Gegenstand eines Filmes machte. Bereits 1901 wurden unter der Marke Thomas A. Edison drei kurze Filmszenen veröffentlicht, die Inuit im sogenannten Esquimaux Village der Pan American Exposition in Buffalo bei verschiedenen Aktivitäten zeigen.
Um 1910 erschienen Filme mit ehemaligen Akteuren von Völkerschauen, die auch in Deutschland zu sehen waren. Prominente Darstellerin war Nancy Columbia, die auch an dem Drehbuch für The Way of the Eskimo von Selig Polyscope beteiligt war. Nancy Columbia ist damit die erste Filmemacherin der Inuit. Weitere Filme zum Thema Arktis waren Polar Hunt (1914, A. E. Kleinschmidt), Nanook of the North (1922, Robert Flaherty) und Milak der Grönland-Jäger (1932, Georg Asagaroff und Bernhard Villinger).
Der bekannte Bergfilmer Arnold Fanck war 1931 in einem Magazin auf Fotografien von Eisbergen in Grönland gestoßen. Das erinnerte ihn sofort an Alpengletscher, die in seinen bisherigen Filmen eine wichtige Rolle gespielt hatten. Er beschloss, seinen nächsten Film unbedingt in Grönland zu drehen, was aber nicht genehmigt wurde, da die Regierung in Dänemark im Interesse der Inuit jegliche Aktivitäten von Ausländern dort erheblich eingeschränkt hatte.
Fanck packte kurz entschlossen einen seiner Filme ein, fuhr nach Kopenhagen und begab sich auf die Suche nach Knud Rasmussen, dem weltbekannten Arktisforscher. Nachdem dieser Fancks Film gesehen hatte, der ihn überaus beeindruckte, begaben sich beide auf den „Weg durch die Instanzen“ – mit dem Ergebnis, dass Fanck drehen durfte und Rasmussen zum Sponsor und Berater des Films SOS Eisberg wurde. (Auf diesen Film werden wir in einem späteren Beitrag eingehen. Nur soviel vorab: den SOS Eisberg hätte es ohne die intensive Mitarbeit Rasmussens nie gegeben.)
Knud Rasmussen hatte nun Gefallen am Medium Film gefunden, so dass er unmittelbar nach Beendigung der Dreharbeiten mit der Konzeption seines eigenen Filmes Palos Brautfahrt begann. Als Regisseur gewann er Friedrich Dalsheim. Der Film wurde 1933 in Ostgrönland ausschließlich mit Laiendarstellern gedreht. Er handelt vom Werben zweier Freunde, Palo und Samo, um das gleiche Mädchen, die schöne Navarana.
Die Freunde geraten in Streit; in einem Sängerwettstreit soll der Sieger und damit der Bräutigam für Navarana bestimmt werden. Aus dem Wettstreit wird ein Kampf, bei dem Palo schwer verletzt wird. Am Ende aber kommt Samo zu Tode, und Palo gewinnt die Braut.
Der Film zeigt die wunderschöne Natur und das traditionelle Leben der Ostgrönländer in vielen Facetten – von der Jagd bis zu einer Schamanenbeschwörung – und folgt damit ganz der Intention des Ethnologen Rasmussen. Infolge seines frühen Todes aber konnte Rasmussen die Uraufführung seines Filmes Palos Brautfahrt im Jahr 1934 nicht mehr erleben.
Im Gedenken an Rasmussens 5. Thule-Expedition drehte Zacharias Kunuk, ein Inuit aus der kanadischen Arktis, 2006 den Film Die Tagebücher des Knud Rasmussen – ein weiteres Meisterwerk, nach seinem Film Atarnajuat, für den er viele Preise, unter anderem eine Goldene Kamera in Cannes, erhalten hatte.