Eisbären: ihre Zukunft und das Meereis

Dieser April, so fühlten wir, war viel zu kalt für uns hier in Deutschland. Fischer in Neufundland ärgern sich gerade über dichtes Packeis vor der Küste, wohingegen sich Touristikunternehmer über ein reiches Aufkommen an Eisbergen freuen.

Touristen erfreuen sich an einem Eisberg
Touristen erfreuen sich an einem Eisberg

Eis und Kaltluft im Frühling sollten jedoch keine Zweifel an der Tatsache der von Menschen verursachten globalen Erwärmung hervorrufen. Man braucht bloß mal einen Blick in die Arktis werfen. Nicht viele haben die Möglichkeit, dahin zu reisen, aber es reicht, sich aktuelle Fotos ansehen und die einschlägigen Zahlen und Daten über die Eisbedeckung und über das Tauen der Permafrostbodens zur Kenntnis nehmen.

Abnahme des arktischen Meereises Januar 1850-2013, NSCID/Zachary Labe
Abnahme des arktischen Meereises Januar 1850-2013. Daten: NSCID, Visualisierung: Zachary Labe

Nicht nur die Fläche, auch die Dicke der Meereisbedeckung ist dramatisch zurückgegangen (siehe Fußnote). Die Erwärmung in der Arktis beeinflusst in sehr komplexer Weise Wettererscheinungen, Wind- und Meeresströmungen in anderen Regionen der Erde. Derzeit bewegen sich Eismassen von der Davis Strait (zwischen Grönland und Baffinland) nach Süden und belagern die Küste Neufundlands.

Eiskarte vom 30. April 2017 – Image Credit: Canadian Ice Service
Eiskarte vom 30. April 2017 – Image Credit: Canadian Ice Service

Die aktuelle Eiskarte zeigt eine hundertprozentige Eisbedeckung (weiss) nur noch im kanadischen Archipel; vor Neufundland aber gibt es nahe der Küste eine im Durchschnitt noch starke Eisbedeckung (hellgrau). Doch auch Eisbedingungen, die Fischerboote am Ausfahren hindern, sind nicht unbedingt immer gute Jagdgründe für Eisbären –mehr dazu auf den Seiten 185-194 in unserem Buch. Bürgermeister, Polizisten und Einwohner der Küstendörfer machen sich Sorgen über eine neue Gefahr: Eisbären streunen um die Dörfer. Ein paar Unbedarfte hingegen zücken ihr Smartphone, hoffen auf ein Selfie mit Eisbär im Hintergrund und überlegen, ob sie das Tier dafür nicht mit etwas Fleisch anlocken können.

Eisbär bei Catalina erschossen – Nachrichten vom 10. April 2017
Eisbär bei Catalina erschossen – Nachrichten vom 10. April 2017

Wo Eisbären und Menschen dicht aufeinandertreffen, ist ersterer in der Mehrzahl der Fälle schon so gut wie tot. Aus Sicherheitsgründen, wegen potentieller Gefahr für Leib und Leben oder in tatsächlicher Notwehr wird er erschossen. Nur in wenigen Fällen stehen die aufwendigen Möglichkeiten und Mittel zur Verfügung, den Eisbären mittels Betäubungsspritze ruhig zu stellen und mit einem Helikopter in unbewohnte Regionen auszufliegen.

Kosten für einen per Helikopter abtransportierten lebenden Eisbären führen zu erregten Diskussionen – Nachrichten vom 11. April 2017
Kosten für einen per Helikopter abtransportierten lebenden Eisbären führen zu erregten Diskussionen – Nachrichten vom 11. April 2017

In einigen Fällen lässt sich ein Eisbär, der sich außerhalb seines natürlichen Habitats in die Nähe menschlicher Siedlungen begeben hat, mit Schreckschussmunition verjagen. In vielen Fällen aber kommt er bald wieder – aus Hunger oder aus Neugier: es riecht doch so interessant, wo Menschen wohnen, und man könnte vielleicht etwas zwischen die Zähne oder in den Magen bekommen.

Wissenschaftler wird wegen der Eisbär-Sichtungen befragt
Der Wissenschaftler Andrew Derocher wird wegen der Eisbär-Sichtungen befragt

Die eisfreie Periode vor der Küste Labradors ist mittlerweile 18 Tage länger als noch vor 10 Jahren – daher sieht man die Eisbären, die nicht mehr auf dem Packeis nach Robben jagen können, vermehrt auf dem Land, wo sie nach Essbarem suchen. Sie fressen kleinere Tiere, Vogeleier und sogar Pflanzen (Vgl. Buch S. 193) – vielleicht genug zum Überleben, aber nicht ausreichend, um satt zu werden und hunderte Kilometer lange Schwimmstrecken (Vgl. Buch S. 172) zurück zum Eis zu überleben. Auch wenn nun gelegentlich in Neufundland, Labrador und anderswo mehr Eisbären in der Nähe von Siedlungen gesichtet werden als früher, sind dies nur selten starke, gesunde Tiere, die viel Nachwuchs (Vgl. Buch S. 199-205) hervorbringen werden.

Hungriger Eisbär auf Futtersuche
Hungriger Eisbär auf Futtersuche

(Fußnote) Die Fläche des arktischen Eises – im Sommerminimum – hat seit in den letzten 30 Jahren dramatisch abgenommen (1982: 7,5 Mio. km²; 2012: 3,4 Mio. km²; 2016: 4,1 Mio. km²); zudem hat die durchschnittliche Eisdicke stark abgenommen, so dass es auch im Wintermaximum viel weniger dickes, mehrjähriges Eis gibt als früher. Diese Verluste traten viel rascher ein als bisher prognostiziert; bleibt der gegenwärtige Trend erhalten, könnte es sein, dass wir bereits 2040 einen eisfreien Sommer in der Arktis erleben. Was das für das Weltklima und für uns alle bedeuten kann, will ich hier gar nicht diskutieren, sondern vorerst nur daran erinnern, dass die Zukunft der Eisbären mit der des arktisches Meereises verbunden ist.

Alle Seitenangaben im Text beziehen sich auf unser Buch „Eisbären – Wanderer auf dünnem Eis„.

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Kanada – 150 plus! Jahrtausende alte Geschichte

In diesem Jahr feiert Kanada den 150. Jahrestag der Konföderation, des Staatsgebildes Kanada. Nicht alle Kanadier sehen den Festlichkeiten mit ungetrübter Freude entgegen – denn für die indigenen Völker Kanadas, die First Nations, Inuit, und die Métis, steht der Jahrestag der Staatsgründung auch für die vor etwa 150 Jahren nochmals verstärkt einsetzende Kolonisation.

Denkmal für Joe und Annie Henry am Dempster Highway, Yukon
Heritage Site der Tr’ondëk Hwëch’in First Nation – Denkmal für Joe und Annie Henry am Dempster Highway, Yukon
Haida Heritage Centre, Ḵay Llnagaay, Skidegate
Haida Heritage Centre, Ḵay Llnagaay, Skidegate, Haida Gwaii, British Columbia

Die Geschichte der Ureinwohner im heutigen Kanada begann vor mindestens 12.000 Jahren – oder waren es gar 24.000? – als Völker aus Asien den amerikanischen Kontinent erreichten.

Im Beothuk Interpretation Centre, Boyd's Cove
Im Beothuk Interpretation Centre, Boyd’s Cove, Newfoundland

Hier lebten, bevor seit dem 17. Jahrhundert Franzosen und Briten das heute kanadische Territorium besiedelten, wahrscheinlich ca. 350.000 Menschen, die 50 verschiedene Sprachen verwendeten.

Inukshuk in Inuvik
Ein Inukshuk (traditionelles Steinmal der Inuit) in Inuvik, Northwest Territories
Whetung Ojibwa Centre, Curve Lake First Nation
Das Whetung Ojibwa Centre, Curve Lake First Nation, Ontario

Die Erschließung des Landes durch die europäischen Siedler hatte gravierende Folgen für die Ureinwohner. Wegen Überjagung nahmen die Wildbestände ab, die Ureinwohner wurden abhängig von Handelsgütern – außer Lebensmitteln, Werkzeug, Waffen und Munition leider auch Alkohol, mit verheerenden Folgen. Sie lernten Schulden, Hunger und Elend kennen. Epidemien wie Tuberkulose, Masern und Pocken rafften einen großen Teil der indigenen Bevölkerung dahin; ganze Dörfer mussten aufgegeben werden.

Continuing Care Centre, Blood Tribe, Kainai First Nation – Foto: © Geneviève Susemihl
Continuing Care Centre, Blood Tribe, Kainai First Nation, Stand Off, Alberta – Foto: © Geneviève Susemihl

Christliche Missionierung verstärkte den kulturellen Wandel, der durch die veränderte Lebensweise eingesetzt hatte.

Glooscap-Monument vor dem Millbrook Cultural  & Heritage Centre bei Truro, Nova Scotia
Glooscap-Monument, Millbrook Cultural & Heritage Centre bei Truro, Nova Scotia
Seit 6000 Jahren ein Treffpunkt: The Forks im Zentrum von Winnipeg
Seit 6000 Jahren ein Treffpunkt: The Forks im Zentrum von Winnipeg

Um die Ressourcen des Landes für Ackerbau, Viehzucht und Industrie zu übernehmen und mittels Eisenbahnen zu erschließen, handelte die föderale Regierung Kanadas im 19. Jahrhundert Verträge mit den First Nations zu Landabtretung – oder wasr es Landraub? – und zu ihrer Ansiedlung in Reservaten aus, wo sie „zivilisiert“ und assimiliert werden sollten. Als Gegenleistung wurden jährliche Geldzahlungen und die Sorge für Schulen, Ausbildung und wirtschaftliche Entwicklung zugesagt – ein nur unzureichend erfülltes Versprechen, was bis heute große Probleme nach sich zieht. In manchen Reservaten erinnern die Lebensbedingungen – von der Trinkwasserversorgung über die Wohnungssituation bis hin zum Zustand der Schulen – an die dritte Welt und entsprechen keineswegs den Standards im übrigen Kanada.

Camp Ashini – ein traditionelles Innu-Camp, Côte-Nord
Camp Ashini – traditionelles Innu-Camp, Côte-Nord, St. Lorenz-Strom, Quebec

Seit dem Indian Act von 1876 betrieb man über 100 Jahre lang eine Politik der kulturellen Assimilierung, die auf das Verschwinden der indigenen Sprachen, Lebensweise, religiösen Auffassungen und damit der gesamten Kultur zielte. Ebenso lange wurden Kinder der Ureinwohner zwangsweise von ihren Familien entfernt und in zumeist kirchlich geleitete residential schools (Internatsschulen) verbracht, wo sie häufig auch psychischen, physischen Misshandlungen und manchmal sexuellem Missbrauch ausgesetzt waren. Das führte zu Entwurzelung, Traumatisierung und gebrochenen Lebensläufen mehrerer Generationen. Die Nachwirkungen – Armut, Alkohol- und Drogenmissbrauch, Gewalt – belasten die Entwicklungsmöglichkeiten, vor allem die der Kinder, bis heute.

Pabineau Falls, Pabineau First Nation, New Brunswick
Stromschnellen (Pabineau Falls) – Pabineau First Nation, New Brunswick

Seit den 1980er Jahren entstanden bei den First Nations und den Inuit organsierte politische Bewegungen zur Rückbesinnung auf kulturelle Werte, zum Retten und Wiedererlernen der eigenen Sprache und Traditionen und zur Selbstbestimmung. In jüngster Zeit benutzen vor allem junge, gut ausgebildete Angehörige der First Nations und Inuit das Schlagwort „Dekolonisation“, um grundlegende Rechte und Chancen für ihre Völker einzufordern.

Cultural Centre – Lennox Island First Nation
Im Cultural Centre – Lennox Island First Nation, Prince Edward Island

Als Tourist hat man in allen Provinzen und Territorien Gelegenheit, sich auch über das „Kanada 150 plus“ zu informieren – das Kanada der First Nations, Inuit und Métis.

Inukshuk nahe Cape Dorset, Nunavut
Inukshuk – Wegzeichen nahe der Inuit-Siedlung Kinngait (Cape Dorset), Nunavut
6000 Jahre alt sind archäologische Funde im Wanuskewin Heritage Park bei Saskatoon, Saskatchewan
6000 Jahre alt sind die archäologischen Funde im Wanuskewin Heritage Park bei Saskatoon, Saskatchewan

Mehr zum Thema in meinen Artikeln „150 oder 12.000 Jahre? Aus der Geschichte Kanadas“ sowie „Ahornblatt und Medicare. Bemerkungen zu Politik und Gesellschaft“, die im Heft 2/2017 des Magazins 360° Kanada erschienen sind, sowie in unserem Kanada-Länderporträt (MANA-Verlag).

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Terra Incognita – KAMTSCHATKA

Neue Ausstellung von Ulli Wannhoff im Chemnitzer Naturkundemuseum

Für die Besucher der Ausstellung ist der Ferne Osten, Sibirien und die Halbinsel Kamtschatka meist „terra incognita“. Mit dem heutigen eurozentrischen Blick wissen wir oft weniger als das neugierige Bildungsbürgertum des 19. Jahrhunderts; trotz Internet, Wikipedia und vieler Suchmaschinen, die auf richtiges – und falsches – Wissen hinweisen.

Polarfuchs – Foto: © Ullrich Wannhoff
Polarfuchs (Präparat Naturkundemuseum Chemnitz) – Foto: © Ullrich Wannhoff

Für mich ist die Ausstellung eine Reflexion der letzten zwanzig Jahre, die mein Leben nach der Wende bestimmten.
Die Ausstellung kann nur einen kleinen Einblick geben und eine Anregung, einen Anstoß – auf mehr, sofern es heute noch Neugierde gibt, wo ja alles im Internet mit einem Tastendruck erreichbar ist.

Riesenseeadler – Foto: © Ullrich Wannhoff
Riesenseeadler (Präparat, Leihgabe des Naturkundemuseums Berlin) –
Foto: © Ullrich Wannhoff

Eine Ausstellung wächst durch Dialoge, Fragen und Verwerfungen. Der Prozess ist vielleicht das Anregendste für alle Beteiligte und widerspiegelt auch die Komplexität, die nicht nur die junge geologische Erdgeschichte in Kamtschaka und die Naturprozesse aufzeigen, sondern auch unser heutiges Leben in seiner Vielfältigkeit und Veränderlichkeit.

Kustodin Frau Dr. Thorid Zierold, Plakat- und Schriftgestalter Evgeniy Potievsky – Foto: © Ullrich Wannhoff
Beim Aufbau der Ausstellung: die Kustodin Frau Dr. Thorid Zierold und der Plakat- und Schriftgestalter Evgeniy Potievsky – Foto: © Ullrich Wannhoff

Wir haben die Ausstellung in drei Teile gegliedert. Der erste ist das „Vulkanmodell“ mit den verschiedenen Vegetationszonen und den Tieren, die ihre Nischen darin finden. Innerhalb einer kurzen Wegstrecke nach oben gestaltet sich ein vielseitiges Bild.
Je höher wir kommen, um so kühler die Luft – und dementsprechend kleiner werden Pflanzen und Tiere.

Vegetationszonen auf dem Vulkanmodell – Foto: © Ullrich Wannhoff
Vegetationszonen auf dem Vulkanmodell – Foto: © Ullrich Wannhoff

Von den Säugern leben unten im Tal Braunbär und Elch, und weit oben treffen wir noch die kleine Polarrötelmaus an. Sie wiederum hat Fressfeinde, den Raufußbussard und die Schneeeule, die sich in die Höhe wagen.
Der zweite Teil beschäftigt sich mit den indigenen Völkern, die über viele tausende von Jahren die Halbinsel besiedelten, bevor der erste weiße Mann gewaltsam auftrat: Die Kosaken kamen Ende des 17. Jahrhunderts.

Modell einer Jaranga – Foto: © Ullrich Wannhoff
Modell einer Jaranga – Foto: © Ullrich Wannhoff

Auch in der Sowjetzeit gab es viel „Ungereimtes“. So wollten die Kommunisten ein neuen Typus Mensch in ihrem weiten Land kreieren, den „Homo Sowjetikus“, was mit dem Verlust der Tradition und der Identität der indigenen Völker verbunden gewesen wäre. Aber es gab auch Positives in dieser Gesellschaft, wie eine Grundversorgung, ärztliche Betreuung, der kollektive Zusammenhalt – dies alles ist heute mehr oder weniger in Auflösung begriffen.

Kamtschatka-Fotos in der Ausstellung– Foto: © Ullrich Wannhoff
Kamtschatka-Fotos in der Ausstellung– Foto: © Ullrich Wannhoff

Nach der Wende zog eine hohe Arbeitslosigkeit ein, und überteuerte Produkte zwangen und zwingen die kleinen Völker des Nordens zu einer Rückbesinnung auf die alte Jagdkultur und ein weitgehend autarkes Leben in der Wildnis, um nicht im Dorf dem Alkoholismus zu verfallen. Oft sind es die Frauen, die die Stärkeren sind und ein neues Leben anfangen. In der Ausstellung wird hauptsächlich die Materialkultur gezeigt.

Ausrüstungsgegenstände – Foto: © Ullrich Wannhoff
Ausrüstungsgegenstände – Foto: © Ullrich Wannhoff

Der dritte Teil ist die Isbuschka, das Hüttchen, das zu vielseitigen Zwecken benutzt wird und für uns Mitteleuropäer gewöhnungsbedürftig ist.

In der Isbuschka – Foto: © Ullrich Wannhoff
In der Isbuschka – Foto: © Ullrich Wannhoff

Man wird erinnert an „Die Mythen des alten Tages“ von Michail Epstein. Er schreibt über das nationale Totem, über den Braunbären:
„ Es ließen sich viele symbolische Analogien finden von denen eine jede für sich genommen nichts zu erklären scheint, zusammen aber … Die althergebrachte Bodenhörigkeit des russischen Menschen – und die Angewohnheit des Bären, den ganzen Winter zu verschlafen. Der russische Ofen, auf dem man liegt und sich im Schlafe wärmt, das Leben vergeudet. – und die dunkle Behaglichkeit der Bärenhöhle, warm und eng wie im Mutterleib, mit zottigen Fellfetzen gepolstert. Der auf den Ofen bezogene Ritus der russischen Faulheit – und die Vorliebe für den Leckerbissen, den es umsonst gibt, die Diebesmanier, die Früchte fremdes Fleißes zu stehlen. Der Bär schleckt Honig, nährt sich von der Emsigkeit der Bienen. Schläfrigkeit und Urkraft. Ein Faulpelz und Leckermaul ist der Herr des Waldes. Ein Erdbrocken, der sich mit wildem Brüllen vom Boden losgerissen hat und alles unter sich zermalmt, doch dann und wann wieder in seine angestammte Lagerstatt zurücksinkt. Bodenständigkeit als Erbinstinkt des erdgeborenen Wesens.“

Braunbär – Foto: © Wolfgang Opel
Braunbär, Präparat Naturkundemuseum Chemnitz – Foto: © Wolfgang Opel

In der Einladung steht geschrieben: „Naturforscher und Künstler“. Ich verstehe mich eher als teilhabender Beobachter in der Natur, verbunden mit meiner geschichtlichen und ornithologischen Recherche, und das eigene Erleben zu spüren und später nachzuempfinden. Dabei sind die morphologischen Beschaffenheiten der Tiere für mich wichtig.

Eröffnung der  Ausstellung – Foto: © Wolfgang Opel
Eröffnung der Ausstellung – Foto: © Wolfgang Opel

Tausende von mir gesammelte Federn liegen in wissenschaftlichen Sammlungen. Für mich besitzen sie einen sinnlichen Charakter, aber sie beinhalten auch Gene für die Wissenschaft, auf deren Ergebnisse ich immer sehr gespannt bin. Wie fügen sie sich in der Evolution ein? in einem komplizierten Baukastensystem, als sei es von einem Gott geschaffen, der mich aber in der Natur nicht interessiert, sondern nur im kulturhistorischen Kontext.

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Amundsens Maud – bald wieder unterwegs

Seit dem 30. November ist die Sonne über Cambridge Bay, der abgelegenen Inuit-Siedlung im Westen des arktischen Archipel Kanadas, verschwunden, und erst am 26. Januar 2013 wird sie – zunächst für eine knappe halbe Stunde – wieder über der Bucht erscheinen, wenn dann der Himmel nicht gerade bewölkt ist. Hier, in der Bucht vor Cambridge Bay, liegt das Wrack der Maud, ein Dreimastschiff, das 1916-18 gemäß den Anforderungen von Roald Amundsen im norwegischen Asker gebaut worden war.

Die "Maud" auf Grund gelaufen – ca. 1930
Die „Maud“ auf Grund gelaufen – ca. 1930

Amundsen war bereits 1903-1906 mit der Gjoa eine erstmals vollständige Befahrung der Nordwestpassage geglückt, und mit dem schon durch Nansens Expeditionen bekannten Schiff Fram war er dann in die Antarktis gefahren, wo er mit seinen Mitstreitern am 14. Dezember 1911 als erster den Südpol erreichte. Nun suchte Amundsen nach neuen Herausforderungen, nachdem sowohl Cook als auch Peary bereits 1909 die „Entdeckung“ des Nordpols für sich beansprucht hatten. Auch die Nordostpassage war schon 1878 erstmalig unter Führung von Adolf Erik Nordenskiöld bezwungen worden. Bei einem Versuch, den Nordpol von Sibirien aus zu erreichen, war George W. DeLong 1881 gescheitert; sein Schiff Jeannette wurde nördlich des Lena-Deltas vom Eis zerstört. Ziel für Amundsens Ehrgeiz wurde nun die erfolgreiche Vollendung der Expedition Fridtjof Nansens, der 1895 seinen Versuch aufgeben musste, den Nordpol mit der im Eis driftenden Fram zu erreichen.

Denkmal für Amundsen vor der "Gjoa"
Denkmal für Amundsen vor der „Gjoa“

Im Juni 1918 verließ Amundsen mit der Maud Tromsoe im Norden Norwegens. Das Packeis verhinderte den direkten Weg zum Nordpol, so dass er sich entschloss, an der russischen Polarküste zu überwintern. Aber auch im folgenden Jahr führte kein Weg in den Norden, und die Maud musste einen weiteren Winter im Eis verbringen. Diese zweite Überwinterung und das Zusammentreffen und -leben der Crew der Maud mit den Bewohnern eines kleinen sibirischen Dorfes sind Gegenstand des Romans Die Suche nach der letzten Zahl von dem nach 1990 auch im Westen bekanntgewordenen Schriftstellers Juri Sergejewitsch Rytchëu.

Der Autor Juri Rytcheu – Foto: Unions Verlag
Der Autor Juri Rytcheu – Foto: Unions Verlag

Der 1930 in Uelen auf Tschukotka am östlichsten Ende der Sowjetunion geborene Rytchëu ist der bekannteste Schriftsteller der indigenen Völker im Nordosten Russlands. In seinen Romanen und Erzählungen kann man viel über das Alltagsleben in der Arktis und über die Mythen der Tschuktschen erfahren. Thema ist auch der Zusammenprall von Lebensformen und Kultur dieses Volkes mit der Lebensweise der Fremden: der immer weiter in den Norden drängenden Russen wie auch der amerikanischen und kanadischen Händler, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch fast unbegrenzten Zugang in die russischen Polargebiete hatten.

An der Küste von Tschukotka

Als auch ein letzter Versuch Amundsens fehlschlug, mit der Maud und sogar mit dem Flugzeug den Nordpol zu erreichen, verkaufte er das Schiff schließlich an die Hudson’s Bay Company. Umgetauft auf Baymaud diente es zuletzt dem Handel mit den Inuit in Cambridge Bay, bis es dort 1930 auf Grund lief. Weder die Gemeinde von Cambridge Bay noch die kanadische Regierung oder die Hudson’s Bay Company selbst waren willens, das Wrack zu heben und zu sanieren. Nur einige wenige Touristen interessierten sich hin und wieder für das Schiff.
Im September 2012 konnten wir uns von den in der arktischen See erstaunlich gut erhaltenen Überresten der Maud überzeugen, als wir das Wrack mehrfach mit dem Zodiac umkreisten. Das Holz der Decksplanken machte einen festen und stabilen Eindruck. Wie mögen die Reste von Franklins Schiffen Erebus* und Terror* aussehen, die nur 250 Kilometer von hier entfernt irgendwo im Meer ruhen? Sind sie genauso gut erhalten wie das Wrack der Investigator in der Mercy Bay von Banks Island?

Das Wrack der Maud in Cambridge Bay 2012
Das Wrack der Maud in Cambridge Bay 2012

2012 gelang es einigen norwegischen Enthusiasten endlich, die Einwohner von Cambridge Bay und die kanadischen Offiziellen zu überzeugen, das Wrack für einen Transport nach Norwegen im Jahr 2013 freizugeben, um die Maud dort nach einer Rekonstruktion in einem Museum ausstellen zu können. Die Norweger hatten besonders die unter Wasser liegenden Teile des Schiffes sorgfältig untersucht und sich von der Solidität überzeugt.

Maud in Cambridge Bay 2012, Detail
Das Wrack der Maud in Cambridge Bay 2012, Detail

Zuhause in Norwegen wird die Maud wohl endlich das Interesse erfahren, das sie mit ihrer Geschichte verdient hat. Sie wird dann einmal die Arktis vollständig umrundet haben, was man nicht von vielen Schiffen aus Holz sagen kann. Vielleicht bekommt sie dort auch einmal Besuch aus den Weiten Nordrusslands und von den Lesern Juri Rytchëus, für die Cambridge Bay zu abgelegen und nicht erreichbar war.

Update

* 2014 wurde nach langer Suche zwischen Inseln vor der Adelaide Peninsula das Wrack von HMS Erebus gefunden, 2016 brachte eine weitere Sensation – ausgerechnet in der Terror Bay (vor King William Island) wurde HMS Terror entdeckt!

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„Off the beaten track“ – an der Côte-Nord

Die Nordküste des Fleuve Saint-Laurent (engl: Saint Lawrence River) hat besondere Reize aufzuweisen: 1200 Kilometer Küste von Tadoussac im Westen bis nach Blanc Sablon im Osten, mit langen Stränden, vielen Inseln, stillen Buchten, endlosen Wäldern mit Seen und Flüsse, die in weiten Buchten ins Meer münden. Dort tummeln sich Wale vieler Arten, selbst die seltenen Blauwale, die größten Lebewesen der Erde, soll man hier gelegentlich zu sehen bekommen.

An der Côte-Nord
An der Côte-Nord

Seit tausenden Jahren leben hier Angehörige der First Nations: die Innu, auch als „Montagnais“, und „Naskapi“ bekannt. Im Osten, in Richtung Atlantik, siedelten bis vor 400 Jahren auch Inuit, die jedoch von einströmenden Europäern wieder nach Norden verdrängt wurden. Das Land war also nicht unbewohnt, als die ersten Europäer an dieser Küste auftauchten: Wikinger, vor mehr als tausend Jahren, später baskische Fischer und dann Kolonisatoren und Eroberer wie John Cabot, Jacques Cartier oder Samuel de Champlain.

Île Niapiskau
Île Niapiskau

Die Route 138 führt entlang des Nordufers des Saint Lawrence River und der Saint Lawrence Bay in Richtung Labrador – allerdings nur bis nach Natashquan; von hier muss man die Fähre benutzen. Mehr über eine Reise nach Havre Saint Pierre – einst „Eskimo Point“ – und zu den Mingan-Inseln mit ihren eigenartigen, vielfältig geformten Sandsteinmonolithen in der neuen Ausgabe 1/2013 der Zeitschrift „360° Kanada„.

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