reblogged vom 27. 5. 2018
Am 24. Mai 1868 startete ein kleiner Segler von Bergen (Norwegen) aus in Richtung Norden. Das Schiff mit dem anspruchsvollen Namen „Grönland“ sollte sich gemäß den Vorstellungen von August Petermann so weit wie möglich dem Nordpol nähern – obgleich es für die großartigen Ambitionen des bekannten Kartografen im fernen Gotha etwas zu klein geraten war.
August Petermann, 1822 in Bleicherode am Harz geboren, vertrat wie andere Gelehrte seiner Zeit die Idee vom eisfreien Nordpolarmeer, durch das man – nach Querung eines Treibeisgürtels – problemlos den Nordpol erreichen könnte. Diese Idee hatte Petermann u.a. auch auf einer ersten Tagung deutscher Geographen am 23. Juli 1865 im Saalbau in der Frankfurter Junghofstraße vertreten, auf der man übereinkam, eine solche Expedition baldmöglichst zu starten.
Es sollte aber noch drei Jahre dauern, bis die Finanzierung geklärt, die Expeditionsleitung und ein Schiff ausgewählt und vor allem über die Aufgabenstellung Klarheit gefunden war. Das Schiff sollte der grönländischen Ostküste nach Norden folgen und bei Problemen mit dem Treibeis nach Osten in Richtung Spitzbergen ausweichen.
Die Expeditionsleitung wurde Carl Koldewey übertragen, der zwar über seemännische, aber über keinerlei Arktiserfahrungen verfügte. Als erster Steuermann wurde Richard Hildebrandt berufen, auch er ohne Polarerfahrungen. Wissenschaftler waren nicht mit an Bord – keine guten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Unternehmung. Der Nordpol wurde nicht annähernd erreicht, und letztendlich wurde die Expedition von den undurchdringlichen Eismassen zwischen Grönland und Spitzbergen in die Grenzen gewiesen.
Fairerweise muss man zugestehen, dass die Grönland nördlich von Spitzbergen eine Breite von 81° 4′ 30″ erreichte – was einen neuen Rekord für Segelschiffe bedeutete – umfangreiche Wetterdaten sammelte und die ganze Mannschaft gesund nach Bremerhaven zurückkehrte. Was zu dieser Zeit ja nicht selbstverständlich war!
Petermann und die Finanziers der Expedition waren mit den Ergebnissen zufrieden, und es wurde eine weitere Reise nach Nordostgrönland beschlossen. Diese 2. Deutsche Nordpolarexpedition von 1869/70 stand ebenfalls unter Koldeweys Leitung, und auch Hildebrandt war wieder mit dabei. Sie fand allerdings unter einem noch ungünstigerem Stern statt und endete fast in einer Katastrophe. Dazu demnächst mehr.
Nach seinen Polarexpeditionen übernahm Carl Koldewey eine leitende Position in der Deutschen Seewarte in Hamburg. Das schöne Gebäude der Seewarte wurde im 2. Weltkrieg zerstört.
Richard Hildebrandt fuhr weiter zur See und brachte es bis zum Korvettenkapitän, ehe er sich in Charlottenburg niederließ. Die ehemalige Villa des kulturinteressierten Ehepaars wird heute als Berliner Literaturhaus genutzt.
August Petermann, der vielleicht bedeutendste Geograf seiner Zeit, nahm sich aus unbekannten Gründen am 25. August 1878 das Leben. Seine Villa in Gotha steht noch heute, wurde nach langem Leerstand glücklicherweise saniert und wird wieder als Wohnhaus genutzt.
Die Grönland kam bei der zweiten Expedition Koldeweys nicht mehr zum Einsatz. Sie diente lange Jahre als Küstensegler, Fischerboot und Robbenfänger, bis sie vom Deutschen Schifffahrtsmuseum in Bremerhaven übernommen wurde, wo sie noch heute als fahrbereites Museumsschiff genutzt wird.
reblogged vom 27. Mai 2018 von Wolfgang Opel