Deutsche Weihnachtslieder unter dem Polarlicht

reblogged vom Dezember 2013

Kuviana inovia – so heißt der Gruß „Frohe Weihnachten“ bei den Inuit in Nunatsiavut (Labrador) an Kanadas Nordostküste. In diesen Tagen sind die Kirchen und auch die Wohnungen in Makkovik, Hopedale und Nain mit Adventskränzen und Herrnhuter Sternen geschmückt, und manche Inuit singen deutsche Weihnachtslieder wie „Napâttuasuk” (O Tannenbaum) und „Unnuak Upinnak“ (Stille Nacht) – in ihrer Sprache Inuktitut, wie es schon seit über 200 Jahren Brauch ist.

Herrnhuter Stern
Herrnhuter Stern

Schon seit Jahrhunderten gab es in der Zeit, in der wir Weihnachten feiern, auch bei den Inuit in Labrador ein Fest des Wiedersehens, wenn man nach langer Trennung wieder mit Freunden und Verwandten zusammentraf. Die Jägernomaden waren im Frühjahr aufgebrochen, um zu jagen und zu fischen. Robben, Karibus, Füchse, Forellen, Lachse, Kabeljau und Seesaibling wurden für Essen, Kleidung und für Jagd- und Fischfanggerät benötigt – später auch für den Handel, z.B. gegen Mehl, Zucker, Tee und Stoffe. Erst wenn überall Schnee lag, die Gewässer gefroren waren und dickes Eis vor der Küste lag, wurde eine Pause eingelegt, und die Familien trafen im Dezember wieder an den Winter-Siedlungsplätzen zusammen.

Kirche von Makkovik - um 1900
Kirche von Makkovik – um 1900

1771 hatten Missionare der Brüdergemeine aus Herrnhut (Oberlausitz, jetzt Sachsen) in Nain die erste Missionsstation an Labradors Küste errichtet. Noch heute heißt die Schule dort Jens Haven Memorial School, nach dem Begründer. Es folgten Missionsstationen in Okak (1776) und Hopedale (1782), 1830 wurde Hebron gebaut, 1865 Zoar, 1871 Ramah, und 1896 gründete der Missionar Hermann Theodor Jannasch die Mission Makkovik.
Im 19. Jahrhundert waren sehr viele Labrador-Inuit bereits getauft und nahmen an den christlichen Weihnachtsfeiern teil. Nach Möglichkeit gab es in jeder Hütte einen geschmückten Weihnachtsbaum. Selbst in den Gemeinden nördlich der Baumgrenze wurden Touren mit dem Hundeschlitten nach Süden unternommen, um aus dem Wald nicht nur Brennholz, sondern auch Tannenbäume für das Fest herbei zu schaffen.

Weihnachten in Labrador - in alten Zeiten
Weihnachten in Labrador – in alten Zeiten

Am 24. Dezember begab man sich nachmittags um 4 Uhr in Festkleidung zur Christnachtsfeier in den nur schwach beleuchteten Kirchensaal. Hier wurde die Weihnachtsgeschichte verlesen, und anschließend sangen die Schulkinder ein Lied, während für jeden ein Stück Gebäck ausgeteilt wurde. Nun folgte der Gesang aller Erwachsener: „Sillaksub pingortitinga, Mariable Sardliapa“ – „Das ewig‘ Licht geht da hinein, gibt der Welt ein’n neuen Schein“ – als die Türe aufsprang und Kirchendiener mit Tabletts voller brennender Kerzen in die dunkle Kirche einzogen.

Christingle - Design by Tabea Murphy, Nain
Christingle – Weihnachtskarte, Design by Tabea Murphy, Nain

Jedes Kind bekam eine Kerze in einer ausgehöhlten Wasserrübe, die als Kerzenständer diente. Bevor ausreichend Wachskerzen aus Europa eingeführt wurden, waren diese Kerzen aus dem Talg der Karibus gezogen worden – was bedeutete, dass die Kinder sie hinterher essen konnten; zusammen mit der Wasserrübe und dem Gebäckstück bildeten die Kerzenstümpfchen eine recht ausgefallene Festtagsmahlzeit.

Adventskranz in der Kirche in Makkovik
Adventskranz in der Kirche in Makkovik

Unter dem Gesang von “Unnuak Upinnak“ (Stille Nacht, heilige Nacht), begleitet vom Posaunenchor, verließen die Gemeindemitglieder nun die Kirche. Am 1. Feiertag gab es dann eine Festpredigt mit Chorgesang und Geigen. Die Weihnachtszeit klang nach dem Herrnhuter Brauch mit dem Erscheinungsfest am 6. Januar aus, auch „Heidenfest“, hier „Nalajuk Night“ genannt.

Die Kirche von Nain - 2009
Die Kirche von Nain – 2009

Heute gibt es die Siedlungen in Ramah, Okak, Zoar und Hebron nicht mehr; aber in Nain, Hopedale und Makkovik sind wie damals die Kirchen mit Adventskränzen und Herrnhuter Sternen geschmückt. Nach altem Brauch geht man um 16:00 in die Kirche und singt gemeinsam die traditionellen Lieder beim „Candlelight Service“, die Kinder erhalten Kekse, und die Kerze gibt es nun in einem ausgehöhlten Apfel, das nennt man „Christingle“. Und auch am 6. Januar, „Old Christmas“, ziehen noch drei als „Nalajuk“ (Weise Männer), verkleidete Personen durch das Dorf.

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