Neues Buch über Berings Erste Kamtschatka-Expedition

„Capitain Behring’s Journal“ – Unbekannte Dokumente zu Vitus Jonassen Berings Kamtschatka-Expeditionen

Ein großartiger Archiv-Fund von Gerd van den Heuvel liegt mir in Form eines neuen Buches vor. Es handelt es sich um die Handschriften von Berings Journal der Ersten Kamtschatka Expedition 1725-1730. Der Bericht erschien in Westeuropa 1735 in verschiedenen Auflagen.

von den Heuvel, Captain Behring's Journal
Gerd von den Heuvel, Captain Behring’s Journal, Wallstein-Verlag

Berings handgeschriebene Aufzeichnungen stammen aus dem Niedersächsischen Landesarchiv Hannover. „Nach Hannover dürfte dieser Expeditionsbericht zusammen mit den Akten der Deutschen Kanzlei in London nach dem Ende der britisch-hannoverschen Personalunion (1714-1837) gelangt sein“, schreibt die Präsidentin des Niedersächsischen Landesarchiv Sabine Graf.

Gedenktafel für Bering
Gedenktafel für Bering in Horsens, Dänemark.
Wikimedia Creativ Commons, ©2005 Hans Jørn Storgaard Andersen

Der Deutsche Naturforscher Georg Wilhelm Steller (1709-1746) schrieb umfangreiche naturwissenschaftliche Berichte über die Zweite Kamtschatka-Expedition – auch Große Nordische Expedition genannt. Doch bereits Berings Schriften über die Erste Kamtschatka-Expedition enthalten viele interessante kartografische und ethnografische Aufzeichnungen; mitsamt all den Strapazen und den logistischen Details der Reise.

Karte der Expedition
Blick ins Buch – Karte der Expedition

Einen Teil des im Buch abgebildeten Bildmaterials (aus der Kartensammlung Mappe XXXIV B 6a (61 x 136 cm) des Landesarchivs Hannover) möchte ich hier kommentieren:

Tungusen
Blick ins Buch: „Darstellung der Tungusen“

1 – Darstellung der Tungusen: Mit großer Wahrscheinlichkeit sind hier Ewenken dargestellt, deren Verbreitungsgebiet sich vom Baikal bis zur Ochotskischen Küste ausdehnt und südlich vom Hafen Ochotsk an das Gebiet der Ewenen angrenzt. Der Vogel in der Hand des Mannes ist wahrscheinlich ein Schneehuhn; der Fisch, den die Frau hält, ist möglicherweise ein Omul.

Kartenausschnitt
Blick ins Buch: Kartenausschnitt

2 – Kartenausschnitt: das Ochotskische Meer mit der Festlandküste und die Halbinsel Kamtschatka: Mit Tungusen wurden früher die Ewenen, Ewenken und die Völker Mittelsibirien bezeichnet. „Lamuten“ ist eine alte Bezeichnung für die östlichen Völker Nordasien, wo man unter andern Korjaken, Ewenen und Jukagiren in Ostsibirien einbezieht. Selbst Sten Bergman schreibt im Buch über seine Kamtschatka-Expedition (1920-1923) noch von Lamuten, wobei die Kleidung der Ewenen abgebildet wurde. Links unten im Bild sehen wir den Hafen Ochotsk. An den Küsten ziehen sich Wälder (Taiga) entlang, die symbolisch mit Bäumen gekennzeichnet sind.

Kamtschatka - Detail
Blick ins Buch – Detailansicht Kamtschatka

3 – Kartenauschnitt vom südlichen und mittleren Teil Kamtschatkas: „Curil“ bezeichnet das Volk der Kurilen, deren Gebiet sich zu dieser Zeit von den Kurileninseln bis zum Hafen Bolscherertsk ausdehnte. Die Kurilen wurden erst Ende des 19. Jahrhunderts aus Südkamtschatka umgesiedelt. Unten links, an der Südwestküste Kamtschatkas, ist mit dem Fluss „Bistra“ der Hafen eingetragen. Im Winter 1727/1728 ging der ganze Transport der Expedition flussaufwärts zur Wasserscheide und dann in den „Chamcatschiche Rever“ [Fluss Kamtschatka]. Für den Transport war damals Martin Spangberg verantwortlich, der später als Kapitän die Kurilen und Japan bereiste. „Wirchna Ostrog“ war eine wichtige Festung auf mittlerer Höhe des Flusses Kamtschatka; heute liegt in der Nähe der Ort Milkovo. Dann kommt „Nirne Chamscatische Ostrog“ (heute Nischny Kamtschatsk), wo die St. Gabriel gebaut wurde. Der Autor schrieb „an der Küste“, was nicht richtig ist, weil es an dieser keine Wälder gibt, aus denen man das Holz für die Boote entnehmen konnte. Im Osten Kamtschatkas sehen wir auf der Karte zwei Mal einen „Brenenden Berg“. Das sind aktive Vulkane, die bis heute spucken. Bering schreibt: „Bey meiner Ankunft zu der untern Chamschadalischen Vestung [das alte Nischny Kamtschatsk liegt heute etwa 30 Kilometer westlich von Klutschi] wurden die mehresten baumaterialien zu Verfertigung eines neuen Fahrzeuges angeschaffen; den 4. April 1728 ein Anfang zum Bauen gemacht, welcher auch den 10.Juli darauf Gottlob fertig wurde. Besagte baumaterialien wurden mit Hunden aus dem Walde hergebracht, theer brandte man aus baumern, welche Blätter oder Lerchen Baum genannt werden, Branntwein branten wir aus einem dort wachsenden süßen Wax Gras [Bärenklau] und Kräuter…“. Auf der Karte sind deutlich die vielen Flüsse zu sehen, die aus dem westlichen und erkalteten Vulkangebirgsrücken in das Ochotskische Meer fließen.

Für den unvoreingenommenen Betrachter bleiben einige Details unscharf, was den nicht professionellen Abbildungen geschuldet ist. Mit großer Wahrscheinlichkeit ist die im Buch verwendete Karte eine gezeichnete Kopie der von Berings Seeoffizier Pjotr Tschaplin geschaffenen, siehe farbige Abbildung unten. Diese befindet sich in der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen. Beide Karten sind inhaltlich nahezu identisch, aber die künstlerische Ausführung und die Handschrift unterscheiden sich. Die im Buch „Captain Behring’s Journal“ verwendete Kopie und deren Ausschmückung hat eine höhere Qualität als die des Seeoffiziers Tschaplin in Göttingen.

Tschaplin Kantschatka Expedition
Karte der Kamtschatka-Expedition von Pjotr Tschaplin, SUB Göttingen

Das Buch „Captain Behring’s Journal“ – Unbekannte Dokumente zu Vitus Jonassen Berings Kamtschatka Expeditionen erschien 2022 im Wallstein-Verlag und kostet 24€. Eine Fortsetzung meiner Betrachtungen zum Buch gibt es hier.

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