Kamtschatka – Ökonomie und Wildnis im Widerstreit

reblogged vom 29. Mai 2012

Die Halbinsel Kamtschatka wird nicht nur von zwei Meeren umgeben, dem Ochotskischen Meer und dem Stillen Ozean, die das Klima an den Küsten bestimmen, sondern auch internationale Konzerne greifen immer mehr auf diese vom Menschen wenig berührte Natur zu. Bodenschätze wie Gold, Platin und Silber ziehen Konzerne in die einsame vulkanische Wildnis. Die ehemaligen Goldgebiete um die Kolyma und Magadan herum dünnen aus, einige Minen sind schon wegen Unrentabilität geschlossen, und manche Leute versuchen, mit privaten Lizensen oder illegal zu schürfen, so das der Druck auf neue unberührte Gebiete zunimmt.

Kreuzfahrt – Eisbärfell. In der Bucht Natalia im Korjakengebirge, Nordkamtschatka
– © Ullrich Wannhoff
Kreuzfahrt – Eisbärfell. In der Bucht Natalia im Korjakengebirge, Nordkamtschatka
– © Ullrich Wannhoff

Besonders das Korjakengebirge nördlich von Kamtschatka, seit 1930 ein eigenes autonomes Gebiet (301,500 Quadratkilometer, entspricht dem Gebiet des U.S. Staates Arizona), wird davon stark betroffen. Kein Tourist verliert sich in diese abhelegene Gegend, in der sich erkaltete Vulkane von tausend bis zweitausend Meter erheben. Nicht nur Rentierhirten und sesshafte Korjaken, sondern auch Tschuktschen, Itelmenen und Evenen (zusammen etwa knapp über 8.000) zählen zu den indigenen Völkern. Zugezogene Russen und Ukrainer bilden weit über 50% der Bevölkerung, und sie sind es dann auch, die die langen wirtschaftlichen Hebel besitzen.

Die Küstenregion des Korjakengebirges mit den herrlichen tiefeinschneidenden Fjorden wird im Sommer von Kreuzfahrtschiffen befahren. Das romantische Herz der Einsamkeit schlägt über diesen wilden Weiten. Gestört werden sie „nur“ durch riesengroße Erdaufschürfungen, ähnlich wie wir sie in den Braunkohlengebieten der Lausitz kennen, die aber für Tourismus unsichtbar bleiben, weil sich die Minen im Landinneren befinden.

600 kg Platin werden aus 6 Tonnen Erz gewonnen. Russisches und internationales Kapital erfreuen sich der hohen Ausbeute. Der Gewinn lag 1998 bei 68 Millionen Rubel und steigerte sich im Jahre 2000 auf 130 Millionen. Im Jahre 2000 wurde Gold im Werte von 300-400.000 Dollar gewonnen, und 2005 sollten 130-140 Kilogramm Gold gefördert werden. In Russland klafft eine große Schere: es gibt reiche Vorkommen an Rohstoffen, aber andererseits sind die eigenen Produkte international kaum weltmarktfähig (außer in der Rüstungsindustrie, aber auch nur bedingt, da macht es die Quantität).

Moderne Maschinen aus Japan, Westeuropa, Amerika bestimmen das Bild, neben der maroden russischen Technik. Die wissenschaftliche, technische und künstlerische Intelligenz wandert aus, seitdem unter Gorbatschow die Möglichkeit des Reisens geschaffen wurde: russische Studenten, die in Westeuropa oder Amerika studieren, kommen kaum in ihr Mutterland zurück. Trotzdem hat sich ein Mittelstand und sogar eine Opposition entwickelt, auch wenn das nur zaghafte Anfänge sind — eine kreative Umgestaltung im eigenen Land ist noch nicht in Sicht.

posted by Ullrich Wannhoff am 29. Mai 2012

Literatur:

Newell, J.(2004): The Russian Far East – A reference guide for conservation and development, S.312-339, Daniel & Daniel Publishers, Inc. McKinleyville, Kalifornia

Schedtschenko, A, K. (2000): Koryakiya v Serdze moem. russ. (Korjaken im Herzen mein), Prachtbildband -S.297 Verlag: „Penta“ Moskau

Wannhoff, U. (2008) Der weite Weg nach Fernost – Spurensuche auf Kamtschatka- S.237 Kahl Verlag, Dresden

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