reblogged vom Januar 2013 – aus Anlass von Kenojuaks Geburtstag heute – am 3. Oktober. You will find an English version here.
Am 8. Januar 2013 hat sich das Leben einer außergewöhnlichen Frau, einer Inuk aus der kanadischen Arktis, vollendet. Kenojuak Ashevak verstarb 85jährig nach einem langen und überaus erfolgreichen Leben als Frau, Mutter von 14 Kindern und Künstlerin in Cape Dorset auf Baffin Island, Nunavut. Sie war eine der bedeutendsten Vertreterinnen kanadischer Kunst.
1927 in einem Inuit-Camp geboren, lebte sie bis in die 1960er Jahre mit ihrer Familie in der traditionellen Weise der Inuit in verschiedenen Camps an der Hudson Strait. Während Kenojuaks dreijährigem Aufenthalt von 1952 bis 1955 zur Behandlung von Tuberkulose in Quebeq City starben zuhause ihre drei Kinder. Infolge ihrer Krankheit war es ihr nicht möglich gewesen, zu ihrem Mann Johnniebo zu fahren, um diese schwierige Zeit gemeinsam zu überstehen.
Im Krankenhaus wurde sie zu ersten kunstgewerblichen Arbeiten angeregt. Als sie nach Baffin Island zurückgekehrt war, beteiligte sie sich als eine der ersten Frauen an den Aktivitäten von James Houston in Cape Dorset zur Herstellung und Vermarktung von Grafiken und Skulpturen, um damit zum Lebensunterhalt ihrer Familie beizutragen.
Bald wurde Kenojuaks ungewöhnliches Zeichentalent entdeckt und daraufhin ihre Arbeiten in die jährlich erscheinenden Grafik-Editionen von Cape Dorset einbezogen. Ihre Motive fand sie in der sie umgebenden Natur. In vielen ihrer Grafiken kombinierte sie Motive wie Vögel und Fische in ungewöhnlichen Farben zu fantasievollen Formen. Kenojuak hat in ihrem über 50jährigen Schaffen viele tausende Zeichnungen und Grafiken, aber auch Skulpturen geschaffen, die von Sammlern und Museen bis heute sehr begehrt sind. Sie fertigte gelegentlich auch sehr großformatige Grafiken an.
Vielfach publiziert wurde die anlässlich der Gründungsvereinbarung des von den Inuit selbstzuverwaltenden Territoriums Nunavut am 25. Mai 1993 von Kenojuak geschaffene Grafik „Nunavut Qajanartuk (Our Beautiful Land)“. Diese kreisrunde Grafik musste wegen ihrer Größe in zwei Teilen, das heißt unter Verwendung von zwei Lithosteinen, gedruckt werden. Die beiden Drucke zeigen die arktische Natur und das Leben der Inuit im Verlauf der Jahreszeiten. In der Mitte ist der Himmel über der Arktis mit Sonne, einem Halbmond und einem Teil des Sternenhimmels angeordnet, was sicher den unverstellten 360°-Blick im Norden symbolisieren soll.
Um die Exklusivität des besonderen Anlasses festzuhalten, wurde diese Grafik in einer Auflage von nur drei Abzügen gedruckt und die Druckvorlagen anschließend vernichtet. Der international bekannte Fotograf Hans-Ludwig Blohm fotografierte diese drei Grafiken und dokumentierte die Enthüllung der Grafik durch Kenojuak Ashevak zusammen mit dem damaligen kanadischen Ministerpräsidenten Mulroney anlässlich dieser für die kanadischen Inuit so bedeutenden Veranstaltung. Zu sehen ist dieser wichtige historische Moment auf den S. 118-119 in seinem Buch „The Voice of the Natives – The Canadian North and Alaska“, das in Deutsch unter dem Titel „Die Stimme der Ureinwohner“ im vdL:Verlag in Wesel veröffentlicht wurde. Eine weitere Ausgaben des Buches erschien in Inuktitut, der Sprache der Inuit.
Kenojuaks Entwürfe zieren Münzen, Briefmarken, Kalender und sogar ein Glasfenster in einer Kirche in Oakville bei Toronto. Die Künstlerin war seit 1974 Mitglied der Royal Canadian Academy of Arts. Sie wurde Ehrendoktorin der Universitäten in Toronto und Kingston: 1982 wurde sie zum Companion to the Order of Canada ernannt und erhielt 1995 den National Aboriginal Achievement Award, die für indigene Künstler wohl wichtigste Auszeichnung.
Kenojuak Ashevaks Arbeiten sind in Galerien und auf Auktionen überaus erfolgreich und gehören zum Bestand vieler namhaften Museen und Galerien nicht nur in Kanada sondern auch in den USA, in Europa und Asien. In Deutschland wurde sie besonders durch das Buch „Kenojuak“ von Ansgar Walk, aber auch durch Ausstellungen in Museen und Galerien bekannt. 2004 wurde dem Werk von Kenojuak Ashevak eine mehrmonatige Ausstellung auf Burg Vischering (Lüdinghausen) gewidmet. Sie nahm persönlich an der Eröffnung teil und besuchte bei dieser Gelegenheit andere Veranstaltungen und Tagungen in Hamburg, Berlin und Potsdam. Weitere Ausstellungen führten Kenojuak auch in die USA, nach Japan und Korea.
Bei einem Besuch in der Druckwerkstatt in Cape Dorset im Sommer 2010 konnten wir beim Drucken einer Grafik von Kenojuak zusehen. Leider war sie selbst an diesem Tag nicht in der Werkstatt zum Zeichnen, so dass wir sie nicht persönlich kennenlernen konnten. Wir trafen dort aber eine ihrer Enkelinnen, Susie Ashevak, die ihrer Großmutter wohl auf die ungewöhnlichste Weise gedenken wird: sie hatte sich vor einigen Jahren ein Tattoo nach einer Grafik von Kenojuak Ashevak auf den Oberarm stechen lassen.
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