Es war dem 1817 als Sohn eines Häuslers und Zimmermanns aus dem vorwiegend von Sorben bewohnten Gutsdorf Gröditz in der Oberlausitz wahrlich nicht in die Wiege gelegt, Beiträge zur Polarforschung zu leisten. Zu seinem Interesse für die Tier- und Pflanzenwelt und die Gesteine trug sicherlich die vielgestaltige Natur um Gröditz bei, insbesondere das von Felsen eingerahmte Engtal Gröditzer Skala am Löbauer Wasser mit seinem Auwald. Vermutlich haben Miertschings Lehrer sein Interesse noch gefördert, worauf ein Brief hinweist, den er im August 1850 in der Arktis schrieb.
Nach 8 Jahren Dorfschule in sorbischer Sprache endete die Schullaufbahn Miertschings mit seiner Konfirmation, und er erlernte das Schuhmacherhandwerk in der „Kolonie Kleinwelka“, einer Ansiedlung der Herrnhuter Brüdergemeine. Hier wurde er nicht nur mit den religiösen Auffassungen und ethischen Grundsätzen dieser Glaubensgemeinschaft vertraut. Ein beträchtlicher Teil der Gemeinde war bereits in Übersee gewesen, in jener Zeit etwas völlig Außergewöhnliches. Im Dorf wohnten einige Missionare im Ruhestand, aber auch Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die ihre ersten Lebensjahre an Missionsorten der Brüdergemeine in der Karibik, in Grönland, auf den amerikanischen Kontinenten oder in Afrika verbracht hatten.
Viele der zurückgekehrten Missionare hatten in Ausland Objekte gesammelt und mit nach Hause gebracht, denn bei den Herrnhutern war man sehr wissensfreundlich. In der Natur sah man die Offenbarung der Schöpfung, die es zu erforschen galt. Es wurde sogar eine „Anleitung, Naturalien zu sammlen“ gedruckt, und viele der in aller Welt gesammelten Präparate wurden in Naturalienkabinetten ausgestellt. So konnte Miertsching sein Wissen erweitern, und es war nicht verwunderlich, dass er sich auf seinen eigenen Reisen mit Naturphänomenen befasste und ebenfalls zum Sammler wurde.
Lebhafte Naturschilderungen, wie sie bereits gelegentlich in Miertschings Berichten aus Labrador auffallen, durchziehen auch das Tagebuch seiner Arktisreise 1850-54. Kein geringerer als Alexander von Humboldt nahm bereits kurze Zeit später Bezug auf Miertsching, als er sich im Band 4 seines Monumentalwerkes „Kosmos“ mit den „Smoking Hills“ östlich des Mackenzie-Deltas befasste.
Miertschings Beobachtungen polarer Insekten wurden von Entomologen ausgewertet und finden sich bis heute in vielen Standardwerken wieder. Seine Aufzeichnungen über die verschiedenen Inuit in Nordamerika, ihre Kleidung, ihre Werkzeuge und ihre Dialekte nahmen nicht nur wichtige Erkenntnisse Knud Rasmussens bei seiner 5. Thule-Expedition vorweg – der dänische Forscher zitierte Miertsching ebenfalls in seinen Schriften.
Miertschings Aufzeichnungen der Temperaturen und auffälliger Wetterereignisse enthalten wertvolles Material zur Erforschung des arktischen Klimas im 19. Jahrhundert. Sein Original-Tagebuch, das zu großen Teilen 1967 in englischer Übersetzung verlegt wurde und dessen Text sich vom „Reise-Tagebuch“ von 1855 unterscheidet, ist Quelle vieler auch aktueller Arbeiten zur Polarforschung, zitiert u.a. von Geografen, Botanikern, Zoologen, Ethnohistorikern, Archäologen und Polarhistorikern.
Obwohl Miertsching seine umfangreichen Sammlungen – u.a. ca. 4000 Pflanzen! – an Bord von HMS Investigator im Eis der Mery Bay zurücklassen musste und für immer verloren glaubte, sind von ihm gesammelte Präparate und Ethnografika in Londoner Museen gelangt – auf welchem Wege, kann man in unserem Buch: „Weil ich ein Inuk bin. Johann August Miertsching – Ein Lebensbild“ nachlesen.