reblogged vom April 2013
Genau vor 500 Jahren studierte ein junger Mann an der Rostocker Universität, dessen später in nur neun Exemplaren gedruckte Carta Marina (1539) mit der Darstellung Nordeuropas, einschließlich Islands und eines Teils von Südgrönland, und der Schrift Beschreibung der Völker des Nordens (1555) bis heute die Gemüter erregen. Erstaunliche korrekte Details in Karte und Schrift werden durch Fantasielandschaften, Fabelwesen und kaum nachprüfbare Geschichten ergänzt, so dass Olaus Magnus von manchen gestrengen Autoren auch als Lügner und Spinner diskreditiert wurde, nicht beachtend, dass Karte und Buch bereits vor fast 500 Jahren entstanden sind. Unter anderem findet man hier eine frühe Darstellung des mit Eis bedeckten Polarmeeres nebst zweier Eisbären, diese zwar nicht nordwestlich, sondern südöstlich von Island angeordnet. Allerdings wird Island bis heute immer mal wieder von Eisbären besucht; so ganz falsch lag Magnus also doch nicht.

Die ersten bildlichen Darstellungen der Arktis und seiner Bewohner stammten also nicht von Künstlern im heutigen Verständnis, sondern von Geografen, Seeleuten oder von Holzschneidern und Kupferstechern, die ihre Illustrationen der Erlebnisse der Reisenden nach dem Hörensagen geschaffen hatten.
Der Brite Martin Frobisher versuchte auf drei Arktisreisen zwischen 1560 und 1578, eine nordwestliche Durchfahrt zu den Schätzen Chinas und Indiens zu finden. In der Beschreibung seiner dritten Reise finden sich unter anderen Bildern auch eine frühe Darstellung von Inuit von Baffin Island, vermutlich nach einer Zeichnung von John White, dem ersten Künstler überhaupt, der Indianer und Inuit zeichnete.

In den folgenden Jahrzehnten gelangten mit den Schiffen von Walfängern und Forschungsreisenden auch einige Inuit, manche davon aus Labrador, mehr oder weniger freiwillig nach Europa. Als unbekannte Wesen aus dem Norden und als Kuriosa wurden sie in Herrscherhäusern, aber auch auf Jahrmärkten präsentiert. Manche von ihnen wurden zu temporären Berühmtheiten, gewöhnten sich schnell an die üblichen Regeln und Sitten, lernten Sprachen und kleideten sich gemäß der angesagten Mode. Adlige und Wissenschaftler bestellten bei bekannten Künstlern Portraits von ihnen, die noch heute in den Museen und Sammlungen zu sehen sind.


Mit Beginn des 19. Jahrhunderts wurde die Suche nach einer Nordwestpassage nach Asien verstärkt. Die nur bedingt erfolgreichen Expeditionen von John Ross, William Edward Parry und John Franklin zwischen 1818 und 1827 und das erfahrene Leid der Teilnehmer regten die Fantasien der Künstler an. Die Expeditionsberichte wurde in für jene Zeit großen Auflagen verbreitet. Der deutsche Maler Caspar David Friedrich muss wohl solche Berichte gekannt haben. 1824 vollendete er sein Gemälde Das Eismeer, das heute in der Kunsthalle Hamburg zu sehen ist und ein im Packeis zerstörtes und untergehendes Segelschiff zeigt. Im Gegensatz zu anderen seiner Bilder fand das „Eismeer“ nicht das Interesse seiner Landsleute. Das Thema entsprach wohl nicht der Erwartungshaltung des Publikums. Friedrich äußerte sich zu seinem Schaffen: „Der Mahler soll nicht bloß mahlen was er vor sich sieht, sondern auch was er in sich sieht. Sieht er aber nichts in sich so unterlasse er auch zu mahlen was er vor sich sieht.“ In die Arktis musste Friedrich für sein Bild nicht reisen, denn Studien von Eis und den winterlichen Lichtstimmungen konnte man auch an Elbe und Ostsee machen.

Anders als bei Friedrichs Zeitgenossen erregen arktische Szenen heute, wohl auch infolge des Klimawandels, das Interesse der Öffentlichkeit: In Oslo treibt seit 2010 eine 12 Meter hohe Skulptur von Monica Bonvicini in der Bucht gegenüber der neuen Oper, die ein direktes Zitat des Bildes von Caspar David Friedrich ist.

Im Jahre 1845 begab sich Sir John Franklin mit den Schiffen HMS Erebus und HMS Terror auf die vermeintlich abschließende Expedition zur Entdeckung einer befahrbaren nordwestlichen Durchfahrt nach China. Beide Schiffe verschwanden jedoch im arktischen Archipel. Sir John Franklin und 129 Mann Besatzung wurden nie wieder lebendig gesehen. Die britische Admiralität vertraute auf die Erfahrungen des erprobten Arktisreisenden Franklin und machte sich zunächst keine Sorgen um den Verbleib der Expedition. Als man aber auch drei Jahre später noch nichts wieder von der Expedition gehört hatte, wurde man nervös und sandte die ersten Schiffe zur Suche nach Franklin aus: HMS Enterprise und HMS Investigator unter Sir James Clark Ross.

Die Suche war ein Fehlschlag, man überwinterte in Port Leopold, einer geschützten Bucht von Somerset Island und kehrte erfolglos nach England zurück. Noch heute kündet ein rostiger zurückgelassener Boiler und ein kleiner Felsen mit der Inschrift „E. I. 1849“ von dieser Überwinterung.

Copyright K. Haycock/K. Pittman, www.haycock.ca
Maurice Haycock studierte Geologie und verbrachte nach dem Studium mehrere Monate in der Arktis. Dort traf er den Maler A. Y. Jackson, Mitglied der Group of Seven*, einer Vereinigung bedeutender kanadischer Maler des frühen 20. Jahrhunderts, den er in den nächsten Jahrzehnten auf dessen Reisen zum Malen begleitete. Von Jackson gibt es neben seinen Gemälden der arktischen Landschaften unter vielen anderen Skizzen auch eine Zeichnung des Felsens zur Erinnerung an den Aufenthalt von James Ross’s Schiffen in Port Leopold im Winter 1848/1849.
Haycock ist heute wohl der einzige kanadische Künstler, der alle bedeutenden und bekannten Orte in der kanadischen Arktis bereist und dort auch gemalt hat. 1968 errichtete er im Alexandra Fjord auf Ellesmere Island ein Steinmal mit einer Plakette zur Erinnerung an A. Y. Jackson, der 1927 hier in der Nähe auf der gegenüberliegenden Bache Halbinsel, nur wenige hundert Kilometer vom Nordpol entfernt, gemalt hatte.

Mehr über die Künstlergruppe Group of Seven steht im Kanada-Länderporträt, dessen überarbeitete Nachauflage für August 2019 zu erwarten ist.