reblogged – bearbeitet vom Mai 2013
Anfang August des Jahres 1816 lag die russische Brigg Rurik in einer weiten Bucht im Nordwesten Amerikas. Das Schiff unter Kapitän Otto von Kotzebue war auf einer mehrjährigen Weltumsegelung und suchte hier in Russisch-Amerika nach einer Einfahrt in die noch immer nicht entdeckte Nordwest-Passage. Zur Besatzung gehörten auch der Naturforscher und Dichter Adelbert von Chamisso, der Arzt Johann Friedrich von Eschscholtz und der Zeichner und Maler Ludwig Choris (1795-1828). Selbst in dieser abgelegenen, erstmals von Europäern besuchten Gegend war man auf Menschen, Inupiat, getroffen, die von Kotzebue und Chamisso in ihren Berichten beschrieben und von Choris lebensnah porträtiert wurden.
Am 7. August ging der Kapitän gemeinsam mit seinen Forschern und einem Leutnant an Land, um den Ostteil der Bucht näher zu untersuchen. Man fand zwei unbewohnte Erdhütten, sammelte Artefakte und ließ im Austausch einige Werkzeuge zurück. Am nächsten Tag machte Dr. Eschscholtz bei der Untersuchung des Ufers eine ungewöhnliche Entdeckung. Choris notierte in seinem Tagebuch:
„Als man weiter spaziren ging am Ufer, bemerckte man, daß dieses von Eis wahr und nur aber paar fuß mit Erde bedeckt ist. Wir gingen alle hir um … Ich habe etwas davon gezeichnet.“
In seiner „Reise um die Welt“, 2012 in einer Prachtausgabe mit 150 farbigen Lithographien von Ludwig Choris erschienen, diskutiert Chamisso die Entstehung dieser „sogenannten Eisberge“ und bestimmt sie als „angeschwemmtes Land“, das „bis zu einer großen Tiefe fest gefroren befunden worden ist“. Chamisso verweist dann auf ähnliche Eisformationen im Lenadelta und an der Mündung des Mackenzie Rivers, wo man ebenfalls wie auch hier im Kotzebue Sound „Überreste urweltlicher Tiere“ finden kann. Die Wissenschaft bezeichnet diese Eisformationen als Eiskeile (ice wedges).
Die Namen der Entdecker von damals findet man heute auf der Karte Alaskas: Kotzebue Sound, Eschscholtz Bay, Chamisso Island und Choris Peninsula. Die auf der Choris-Halbinsel gefundenen Artefakte werden übrigens auf Grund ihrer spezifischen Eigenschaften einer eigenen Kulturgruppe, der Choris culture (ca. 700 v. u. Z) zugeordnet. Viel Ehre für den damals erst 21jährigen Maler, der danach nie wieder in die Arktis fuhr und im Alter von nur 28 Jahren in Mexiko ermordet wurde.
34 Jahre später, Ende Juli 1850, beginnt genau hier im Kotzebue Sound HMS Investigator unter Kapitän McClure ihre Fahrt in die Arktis, auf der letztendlich nach Jahrhunderten die Nordwest-Passage – siehe auch Kanada-Länderporträt, in neuer Auflage erhältlich ab August 2019 – entdeckt wurde. An Bord der Herrnhuter Missionar Johann August Miertsching als Inuktitut-Übersetzer. Ob Miertsching seinerzeit bereits Chamissos „Reise um die Welt“, die Lithografien von Choris oder sogar die Karrikatur von E.T.A. Hoffmann kannte, ist nicht überliefert.
Ein Künstler, der sich besonders intensiv mit dem Leben in der Arktis auseinandergesetzt hat, ist Rockwell Kent (1882-1971), ein amerikanischer Maler und Grafiker aus Neuengland. Er verbrachte viele Monate in entlegenen Regionen wie in Feuerland, Alaska und sowie mehrfach in Grönland, um zu zeichnen, zu malen und vor allem, um das einfache Leben abseits der Hektik der zivilisierten Welt zu erleben. In hunderten Gemälden, Grafiken, Illustrationen und mehreren Büchern verarbeitete Kent das Erleben der außergewöhnlichen Landschaften Grönlands und das Zusammenleben mit den Inuit.
Rockwell Kent pflegte engste Kontakte zu seinen dortigen Nachbarn, den Grönland-Inuit. Wie bei seinen Freunden Rasmussen, Freuchen und anderen Arktisreisenden schloss das Partnerbeziehungen mit ein. Seine Beziehung zu Salamina machte Kent zum Gegenstand und Titel seines wohl bekanntesten Buches.
Als Friedensaktivist war Rockwell Kent lange Zeit, besonders in den 1950er Jahren, in der offiziellen US-Gesellschaft nicht gern gesehen. Aus Ärger über diese Situation vermachte Kent viele seiner Gemälde und Grafiken sowjetischen Museen. Erst in den letzten Jahren besinnt man sich in den USA wieder auf die Bedeutung Rockwell Kents, des wichtigsten Realisten in der US-Kunst des 20. Jahrhunderts.
Auch heute noch erregen „echte“ Eisberge trotz der ungezählten Darstellungen in Film und Fernsehen Aufmerksamkeit und Interesse der Reisenden. Nicht nur weil von ihnen erhebliche Gefahren für den Schiffsverkehr ausgehen können, sondern vor allem durch die phantastischen Formen und Farben der still dahin treibenden Riesen. Der Amerikaner A.D. Tinkham gehört zu den wenigen zeitgenössischen Malern, die sich immer wieder der Faszination dieser Eisriesen aussetzen. Besonders seine Darstellungen bei ungewöhnlichen Lichtverhältnissen, nachts bei Mondschein, im Nebel oder bei Sonnenauf- und –untergängen vermitteln eine Vorstellung von der Magie der arktischen Landschaften.