Northwest Passage, 166 years ago

After being trapped in the Arctic ice for three winters, the search expedition of HMS Investigator had narrowly escaped a catastrophe like that which had happened to the Franklin expedition …

reblogged from June 14, 2013 – [but then, it had read in the title „… 160 years ago…]“

Deutsche Version hier.

Totally exhausted were the men of HMS Investigator, when they arrived at Dealy Island (near Melville Island, today: Canadian Arctic, Nunavut), in the beginning of May, 1853. They had made a long and strenous walk from the Bay of Mercy on Banks Island over the frozen Arctic Ocean, which took them more than 2 weeks. Now they were rescued and got finally enough food and warm clothing on board of the ships HMS Resolute and HMS Intrepid which were frozen in the ice. The men had barely escaped death by starvation and disease. Most were heavily affected by scurvy and had to lay in sickbed; only a few, such as Johann August Miertsching and Samuel Gurney Cresswell, felt something better.

Expedition ships in their winter quarters
Expedition ships in their winter quarters – sketch by Walter William May, 1855

But just three days later, two of them, accompanied by a group of idle sailors from HMS Resolute, started their next walk: 300 miles eastward through the Arctic to HMS North Star near Beechey Island. Lieutenant Cresswell, on behalf of Captain McClure, should as soon as possible bring the news of finding the Northwest Passage, as well as accompany his insane companion Wynniatt, home to England.

19th century's chart of the Northwest passage
19th century’s chart of the Northwest passage

Johann August Miertsching, who also had already felt strong enough for the walk, would have loved to to go with his two companions without hesitation – to return home, after three gruelling winters in the Arctic; but the commanding Captain Kellett from HMS Resolute wanted to have him available: being the only Inuktitut interpreter, Miertsching would be needed in the upcoming journey of the ships to inquire the Inuit on the coasts of Baffinland and Greenland regarding the fate of the lost Franklin expedition.

Musk oxen in defense position - Photo Credit: US Fish and Wildlife Service
Musk oxen in defense position – Photo Credit: US Fish and Wildlife Service

So, instead, Miertsching earned some merits as a successful hunter: „Since we had now so many persons weak and sick with scurvy in both ships, everything was done to provide them with fresh meat, which is the best cure for scurvy; I was asked … by Capt. Kellett to go on the hunt … In May and June we shot muskoxen, caribou, snow hares and ptarmigans…“ . Which also brought him some advantage: he didn’t need to spend his time in the stale air of the overheated and wet ships; he camped in a hunting tent instead and could enjoy the clear weather which was still quite cool, but altogether pleasant with many sunny hours.

Franklin Strait
Completely ice-free in September 2012: The Franklin Strait

It is well-known that HMS Resolute and Intrepid could not make it through the Arctic ice and were finally abandoned. But 160 years later, the situation has totally changed. In 2011 already 33 ships took their way through the Northwest Passage, and with the waterway nearly ice-free in the summer of 2012, there will be even a rowing expedition this summer to attempt the project: three Irishmen and a Canadian are planning to cross the 3,000-mile passage in one season, only with the help of their physical strength – the climate change could make it possible. The four men want to start already in early July from Inuvik in the Western Arctic to Pond Inlet (Baffin Iceland). They intend to row, working in shifts 24 hours a day and quoted 2-3 months for the tour. The expedition is sponsored by a alternative and sustainable power production company; it is intended to draw attention on the disastrous consequences of global warming.

About Miertsching and the Northwest Passage you can also read here; more will follow later on this blog. In our book Kanada Länderporträt you can find a special section dedicated to the discovery of the Northwest Passage.

Re-blogged from June, 2013 by Mechtild Opel

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Nordwestpassage vor 166 Jahren: Mai 1853

Nach drei Überwinterungen im arktischen Eis war die Suchexpedition an Bord von HMS Investigator nur knapp einer ebensolchen Katastrophe entgangen, wie sie die gesuchte Franklin-Expedition ereilt hatte…

reblogged vom 15. Mai 2013 – damals hieß es im Titel „… vor 160 Jahren…“

English version here.

Total erschöpft waren die Männer von der HMS Investigator, die Anfang Mai 1853 einen über zweiwöchigen Marsch von der Mercy Bay auf Banks Island über das Eis des Nordpolarmeeres nach Dealy Island vor Melville Island (heute: kanadische Arktis, Nunavut) unternahmen. Hier lagen die rettenden Schiffe HMS Resolute und HMS Intrepid im Eis, hier gab es Lebensmittel und warme Kleidung. Die Männer waren dem Tod durch Hunger und Krankheit nur knapp entronnen. Die meisten waren stark vom Skorbut betroffen und gehörten aufs Krankenlager; nur wenigen, wie Johann August Miertsching und Samuel Gurney Cresswell, ging es etwas besser.

HMS Resolute im Winterquartier
HMS Resolute im Winterquartier, Dealy Island – zeitgenössische Darstellung

Schon drei Tage später brachen zwei von ihnen, begleitet von einem Trupp unbeschäftigter Matrosen von HMS Resolute, zu einem nächsten Fußmarsch durch die Arktis auf – nach Beechey Island, 300 Meilen im Osten, wo HMS North Star wartete. Lieutenant Cresswell sollte im Auftrag von Kapitän McClure die Nachricht vom Auffinden der Nordwestpassage sowie seinen erkrankten Kollegen Wynniatt so schnell wie möglich nach England bringen.

Kapitän McClures Karte
Kapitän McClures Karte zeigt neu entdeckte Inseln und Passagen

Johann August Miertsching, der sich ebenfalls bereits stark genug für den Marsch fühlte und nach drei strapaziösen Wintern in der Arktis gern nach Hause zurückgekehrt wäre, hätte seine beiden Gefährten ohne Zögern begleitet, aber der kommandierende Kapitän Kellet von der HMS Resolute wollte ihn – als den einzigen Inuit-Dolmetscher – zur Verfügung haben, um im kommenden Sommer die Inuit an den Küsten von Baffinland und Grönland nach dem Schicksal der verschollenen Franklin-Expedition zu befragen.

Moschusochse By Quartl (Own work) via Wikimedia Commons
Moschusochse – By Quartl (Own work) via Wikimedia Commons

So machte Miertsching sich stattdessen erst einmal als erfolgreicher Jäger verdient: „Da wir nun in beiden Schiffen so viele Schwache und Skorbutkranke hatten, so wurde alles aufgeboten, diese mit frischem Fleisch zu versehen, welches die beste Medizin gegen den Skorbut ist; ich wurde … von Kapt. Kellet ersucht, auf die Jagd zu gehen … Im Mai und Juni schossen wir Muskoxen, Rennthiere, weiße Hasen und Schneehühner …“. Das brachte ihm zudem den Vorteil, dass er seine Zeit nicht in den überheizten und feuchten Schiffen in verbrauchter Luft verbringen musste, sondern im Jagdzelt kampierte und zwar noch recht kühles, aber durch die zahlreichen sonnigen Stunden insgesamt angenehmes Wetter genießen konnte.

Am Eingang Bellot Strait
2012 am Eingang der damals völlig eisfreien Bellot Strait

Dass HMS Resolute und HMS Intrepid es damals nicht durch das arktische Eis schaffen konnten und schließlich aufgegeben wurden, ist bekannt.
160 Jahre später aber hat sich die Situation total geändert. 2011 passierten bereits 33 Schiffe die Nordwestpassage, und nachdem sie sich im Spätsommer 2012 nahezu eisfrei zeigte, wird es in diesem Jahr [gemeint ist 2013] sogar eine Ruder-Expedition geben, die die Durchquerung angeht: Drei Iren und ein Kanadier planen, die 3.000 km lange Passage in einer Saison nur mit ihrer Körperkraft zu durchqueren – der Klimawandel macht so einen Versuch möglich. Die vier Männer wollen bereits Anfang Juli von Inuvik in der Westarktis nach Pond Inlet (Baffin Island) starten. Sie haben vor, im Schichtbetrieb 24 Stunden täglich zu rudern, und veranschlagen 2-3 Monate für die Tour. Gesponsert wird diese Expedition von einer Firma für alternative, nachhaltige Energie-Erzeugung; damit soll die Aufmerksamkeit auf die katastrophalen Folgen der globalen Klimaerwärmung gelenkt werden.

Mehr zur Nordwestpassage folgt auf diesem Blog. Auch in unserem Kanada-Länderproträt findet man einen Abschnitt zur Entdeckung der Nordwestpassage.
Siehe auch „Ein Sorbe in der Arktis“ – und zukünftige Beiträge zum Thema

reblogged vom 15. Mai 2013 by Mechtild Opel

Nachtrag vom August 2022: Wir freuen uns sehr, dass unser Buch „Weil ich ein Inuk bin. Johann August Miertsching – ein Lebensbild“ im Sommer 2022 im Berliner Lukas Verlag erschienen ist.

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Eine Rose auf dem Bebelplatz – Tag des freien Buches

Heute haben wir eine Rose auf dem Berliner Bebel-Platz niedergelegt. Auf dem Platz vor St.-Hedwigskathedrale und „Kommode“ (Alte Bibliothek) befindet sich eine Gedenkstätte.
Unter einer im Boden eingelassenen Glasplatte erkennt man leere Bücherregale für 20.000 Bände.

Vor 86 Jahren, am 10. Mai 1933, brannte hier ein Scheiterhaufen.
Kurz nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten waren im Rahmen der „Aktion wider den undeutschen Geist“ nicht nur in Berlin, sondern auch in vielen anderen Städten Deutschlands zehntausende Bücher von jüdischen, marxistischen und pazifistischen Schriftstellern konfisziert und verbrannt worden.

Bücherverbrennung in Berlin am 10. Mai 1933 – Bundesarchiv, Bild 102-14597

Zuvor waren öffentliche Bibliotheken und Buchhandlungen, aber auch private Bestände nach „verbrennungswürdiger“ Literatur durchsucht worden. Bücher des „undeutschen Geistes“ – z.B. wie hier im Bild, von Heinrich Heine, Stefan Zweig, Erst Toller, Theodor Plivier, Karl August Wittfogel, Upton Sinclair, George Grosz, Wieland Herzfelde, John Dos Passos, Leo Trotzki, Heinrich Mann und vielen anderen – wurden damals aussortiert und ins Feuer geworfen.

Auch diese Bücher waren damals in Gefahr, im Feuer zu landen

Oft, manchmal täglich, habe ich das eingerahmte Schild gesehen, das in der Buchhandlung meines Vaters an deutlich sichtbarer Stelle hing:

Tag des freien Buches

10. Mai

… und Angst ist es, die sie ganze Bibliotheken verbrennen lässt…“ (Bertolt Brecht).

Der 10. Mai 1947 wurde in Berlin von Kulturvertretern sämtlicher vier Sektoren als Gedenktag anlässlich der Bücherverbrennung 1933 begangen. Danach feierte man ihn zuerst im sowjetischen Sektor, später in der DDR regelmäßig als „Tag des freien Buches“.

Erst nach 12 Jahren konnte man damals die Nationalsozialisten stoppen. Heute trauen sich die Vertreter ihres Gedankenguts wieder aus den Löchern.
Als aber der starke Wind unsere Rose wiederholt davontrieb, waren wir zunächst ratlos – bis von unerwarteter Seite Hilfe kam. Vertreter der Berliner „Linken“ kümmerten sich gerade um ihren Info-Stand in der Nähe und hatten Klebeband dabei, so dass wir die Rose fixieren konnten. Vielen Dank für die Hilfe!

Unsere Rose auf der Gedenkstätte fand allgemeine Aufmerksamkeit

posted by Mechtild Opel – am „Tag des freien Buches“

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Angry Inuk

reblogged vom 20. Februar 2017 – aus aktuellem Anlass:
Der neue von Alethea Arnaquq-Baril produzierte Film „The Grizzlies“ ist gerade die Nummer 1 in den kanadischen Kinos. Es ist ein Film über die Entschlossenheit und Widerstandsfähigkeit einer Gruppe junger Inuit in Kugluktuk, einer Gemeinde am Rand der bewohnten Welt in der kanadischen Arktis, wo man es mit einer der höchsten Selbstmordraten in Kanada zu tun hat. Hoffentlich wird dieser Film auch bald in deutschen Kinos zu sehen sein.
Zudem hat sie heute Geburtstag – Happy Birthday, Alethea Arnaquq-Baril!

Vorerst rebloggen wir unseren Beitrag zu „Angry Inuk„, Aletheas Film, der auf der Berlinale 2017 gezeigt wurde.

Als ich diesen bewegenden Film letztes Jahr im September beim Atlantik Film Festival in Halifax sah, dachte ich: der muss unbedingt in Europa gezeigt werden!

Das Plakat für den Film „Angry Inuk"
Das Plakat für den Film „Angry Inuk“

Die BERLINALE mit dem NATIVe Programm, das in diesem Jahr auf die arktischen Regionen fokussierte, hat diesen Wunsch verwirklicht.

Cinestar IMAX, Berlinale 2017
Cinestar IMAX, Berlinale 2017

Die Jagd auf Robben ist ein kontroverses Thema, das seit Jahrzehnten in öffentlichen Bewusstsein präsent ist. Bilder von den niedlichen weißen Kegelrobben-Babys, die ganz traurig gucken, und darüber, wie die arglosen Tierchen auf den Eisschollen des St.- Lorenz-Golfs erschlagen wurden, haben viele Europäer schon ziemlich oft gesehen, und diese Bilder tauchen immer wieder auf. Dafür sorgen die bekannten Tierschutzorganisationen, in deren Kampagnen und Spendenaufrufen gerade die Robbenjagd eine große Rolle spielt (obgleich die Jagd auf diese niedlichen Robben-Babys schon seit Jahrzehnten verboten ist und Robben im Nordatlantik nicht zu den bedrohten Tierarten gehören!).

Eine Sattelrobbe ruht auf dem Eis
Eine Sattelrobbe ruht auf dem Eis

Bilder von deutschen Schlachthöfen, davon, wie man dort mit den Schweinen, Kälbchen und Rindern umgeht, sind hingegen so gut wie gar nicht präsent im öffentlichen Bewusstsein. Dabei wird dort – pro Tag! – ein Vielfaches der Tiere, die in der Arktis im ganzen Jahr erlegt werden, getötet – abgeschlachtet! Und das passiert bei uns quasi vor der Haustür, nicht in einer fernen Region. Und – aber? – auch viel näher am eigenen Magen.

Alethea Arnaquq-Baril bei der Diskussion über ihren Film
Alethea Arnaquq-Baril bei der Diskussion über ihren Film

In dem berührenden Film der mutigen kanadischen Alethea Arnaquq-Baril, einer jungen Inuit-Mutter, sieht man unter anderem ihr engagiertes Bemühen – das leider vergeblich bleibt – mit Vertretern verschiedener Tierschutzorganisationen in Kontakt und in Dialog zu kommen. Deren Aktivitäten haben nämlich bewirkt, dass durch ein EU-Einfuhrverbot der Markt für Robbenfelle und damit eine wichtige Erwerbsquelle für die Inuit zusammengebrochen ist. Übrigens eine nachhaltige – denn der Robbenbestand in der Arktis ist nicht gefährdet!

Das Fell einer Ringelrobbe wird zum Trocknen aufgespannt
Das Fell einer Ringelrobbe wird zum Trocknen aufgespannt

Im Hohen Norden lebt man völlig anders als bei uns, wie der Film schon in der ersten Szene zeigt. Die Jagd ist dort Bestandteil des alltäglichen Lebens der Inuit. In bewundernswerter Weise verstehen sie seit Jahrhunderten, die wenigen vorhandenen Ressourcen in einer äußerst kargen Umwelt zu nutzen, in der von September bis Mai Winter ist, in der kein Getreide, kein Gemüse wachsen kann. Robbenfleisch ist das Grundnahrungsmittel für diejenigen Inuit, die an der Küste leben – d.h. für fast alle.

Preise für Lebensmittel in der Arktis
Preise für Lebensmittel im Supermarkt in der kanadischen Arktis – Beispiele:
2,5 kg Mehl 15$, 1,4 kg Reis 24$, ein Kopf Blumenkohl 12$, 6 Äpfel für 10$, 1,3 kg Fleisch für 73$

Heute leben Inuit in Siedlungen, müssen Miete, Steuern und ihre Rechnungen bezahlen, benötigen also Einkommen. Noch immer ist die Mehrheit der Inuit in der kanadischen Arktis auf die Jagd angewiesen. Wer einmal dort im örtlichen Supermarkt die Produkte und die Preise gesehen hat, weiß, dass Jagd nicht nur Bestandteil der Kultur, nicht nur normale Erwerbsarbeit ist, sondern für die Mehrheit der Arktisbewohner einfach auch überlebensnotwendig. Um den Hunger zu stillen! Wild findet man nur in größerer Entfernung von den Siedlungen, das Benzin für das Schneemobil, das Boot muss bezahlt werden. Der Verkauf der Robbenfelle und -Produkte trägt in unverzichtbarer Weise zum Lebensunterhalt bei.

Aus Robbenfell gefertigte warme Stiefel
Aus Robbenfell gefertigte warme Stiefe

Gäbe es Alternativen, um den Lebensunterhalt zu verdienen? Im Hohen Norden Kanadas liegen Rohstoffe, wie Uran und Erdöl. Ihre massive Förderung bedeutet die Zerstörung des fragilen Ökosystems Arktis. Der Film macht deutlich, dass die Inuit-Aktivisten ihre Umwelt für sich, ihre Kinder und ihre Enkel bewahren, die arktische Tierwelt und die grandiose Landschaft schützen wollen. Sie fühlen, dass sie mit Greenpeace und den Tierschutzorganisationen auf einer Seite sitzen sollten anstatt Zielscheibe ihrer Kampagnen zu sein – oder von ihnen ignoriert zu werden. Die eigentlichen Gegner? Diejenigen, die die Inuit zur Zustimmung bewegen wollen, für kurzzeitigen „Wohlstand“ die Rohstoff-Ressourcen auszubeuten, ihre nachhaltige Lebensweise aufzugeben und irreversible Eingriffe in die Natur zu gestatten.

Aaju Peter
Mit im Film: Aaju Peter, Designerin für Fellkleidung und Aktivistin für Inuit-Rechte

Die Inuit, ihrer kulturellen Tradition gemäß, zeigen sich normalerweise nicht „angry“ – im Sinne von lautem, lärmenden Protest. Sie bevorzugen es, höflich, bescheiden und mit nachvollziehbarer Argumentation auf ihre Probleme aufmerksam zu machen. Ob so ihre Stimme gehört wird? Dass Angry Inuk kürzlich beim Santa Barbara Film Festival mit dem „Social Justice Award“ geehrt wurde, gibt Hoffnung; man wünscht sich, dass der Film nicht nur vor Tierschutzorganisationen, sondern auch vor dem Europäischen Parlament gezeigt wird – und dass das dort beschlossene Einfuhrverbot für Robbenprodukte aufgehoben wird.

posted by Mechtild Opel – reblogged vom 20. Februar 2017

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The mystery of the dead on Pim Island

reblogged from October 26, 2012 – Deutsche Version hier

When his name was given to a small island off Ellesmere Island in the far North of Canada, Lieutenant Bedford Pim was probably honored for the rescue of the crew of the HMS Investigator, the explorers of the Northwest Passage. He might not have been delighted to hear this because 18 members of the Lady Franklin Bay Expedition of Lieutenant Adolphus Greely had died in tragic circumstances on and near Pim Island in 1884.

Midwinter Fair, Greely Expedition, 1884, I.W. Taber
Midwinter Fair, Greely Expedition, 1884, I.W. Taber

On this unfortunate expedition, many publications exist which are more or less intensively approaching three topics: the incompetence of the Army to lead a scientific expedition (which had resulted in the tragic starvation of most participants); the attempt to hide that cannibalism had emerged in the struggle for survival; and the execution of one participant because of theft of food.

We reach Pim Island
We reach Pim Island

We reach Pim Island, in the Smith Sound between Ellesmere Island and Greenland, in mid-September, the same season as the team of Greely in the year 1883. The low hanging clouds hinder the view of the island. It has snowed; more than 20 cm of fresh snow are giving the landscape a depressing monotony, only broken by few darksome rocks. The sky is grey, all colors have almost completely disappeared, and the omnipresent gloom gives a notion of the terrible events of 1884. But, in contrast to the men then, weakened by months of hunger, we are well saturated, the temperatures today are mild, and with our Arctic-proven ship close by we are feeling safe.

Camp Clay between lake und bay
Camp Clay between lake und bay

We trudge through the snow to the ruins of Camp Clay, which Greely and his people had built from surrounding stones. One of the boats, completed with canvas, served as a roof. There is no sod on this island, which would have been favored as sealing material by the Inuit. It’s hard to imagine that this tiny camp had had enough space to host 25 men! The only illuminant during the polar night was a dim light fed with seal oil. After four months, the first man died, and nearly three months later one after the other of the remaining crew died, until suddenly an unexpected rescue team arrived at June 22, 1884. Of the 25 men, only seven were alive then, and only six made it home.

Scenery at Camp Clay
Scenery at Camp Clay

On June 6, 1884, the soldier Charles Henry who had repeatedly been caught stealing food was executed on command of Greely. It was an unusual judgment and probably unique in the exploration of the Arctic. Unusual especially because Henry was not the only thief and normally petty larceny of food is inducing extenuating circumstances. But the most unusual was the attempt to conceal this execution, which led to much speculation later.

Plaque to remember the  Greely expedition
Plaque to remember the Greely expedition

Charles Henry, an immigrant from Hannover, Germany, whose real name was Karl Heinrich Buck, was even given a funeral with full military honors, after the repatriation of the corpses. Only very slowly, news about the real cause of Henry’s death leaked out, as well as reports of cannibalism. An investigation by the rescue team concluded that meat was taken from six of the bodies.

The survivors of the Greely expedition
The survivors of the Greely expedition

The former events were not fully investigated until today, due to the fact that Greely himself as well as the three soldiers involved in the execution of Henry (among them two more Germans) belonged to the survivors of the expedition. They had sworn to maintain silence about the course of the execution. Documents and evidence disappeared in the years after the rescue of the six. David Legge Brainard, the last who was involved in the execution of Henry, died as a highly decorated Brigadier General as late as 1946. He took the truth about the circumstances of the execution of Henry and about the cannibalism cases to the grave.

posted by Wolfgang Opel on October 26, 2012

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Das Mysterium um die Toten von Pim Island

reblogged vom 24. Oktober 2012 – English version here.

Man wollte wohl Leutnant Bedford Pim für die Rettung der Besatzung der HMS Investigator, den Entdeckern der Nordwestpassage, ehren, als man einer kleinen Insel vor Ellesmere Island im hohen Norden Kanadas seinen Namen gab. Er wird wohl nicht beglückt gewesen sein, als er das hörte, denn gerade auf und bei Pim Island waren 18 Mitglieder der Lady Franklin Bay Expedition von Leutnant Adolphus Greely 1884 unter tragischen Umständen gestorben.

Blick auf das wolkenverhangene Pim Island
Blick auf das wolkenverhangene Pim Island

Über diese Unglücksexpedition sind viele Veröffentlichungen erschienen, die mehr oder weniger intensiv drei Themenkreise umfassen: die Inkompetenz des Militärs zur Führung einer wissenschaftlichen Expedition, die den tragischen Hungertod der meisten Teilnehmer zur Folge hatte; der Versuch der Vertuschung von Kannibalismus im Kampf um das Überleben; und die Hinrichtung eines Teilnehmers wegen des Diebstahls von Nahrungsmitteln.

Der Zufluchtsort auf Pim Island
Der Zufluchtsort auf Pim Island

Wir erreichen Pim Island – im Smith Sound zwischen Ellesmere Island und Grönland – Mitte September, zur gleichen Jahreszeit wie die Mannschaft von Greely im Jahre 1883. Tief hängende Wolken verwehren den Blick auf die Insel. Es hat geschneit, mehr als 20 cm Neuschnee haben der Landschaft eine bedrückende Einförmigkeit verliehen, durchbrochen nur von einzelnen tiefdunklen Felsen. Der Himmel ist grau, Farbe ist fast vollständig verschwunden, und die allgegenwärtige Düsternis macht die schrecklichen Ereignisse von 1884 erahnbar. Im Gegensatz zu den damals von monatelangem Hunger Geschwächten sind wir aber gut gesättigt, die Temperaturen sind mild, und das in einiger Entfernung liegende arktiserprobte Schiff gibt uns Sicherheit.

Ruinen von Camp Clay
Ruinen von Camp Clay

Wir stapfen durch den Schnee zur Ruine des Camps Clay, das sich Greely und seine Leute aus den Steinen der Umgebung gebaut hatten. Als Abdeckung diente eines der Boote und Segeltuch. Grassoden, wie von den Inuit zur Abdichtung bevorzugt, gibt es auf diesem Eiland nicht. Unvorstellbar, dass dieses winzige Camp 25 Mann Platz geboten hatte. Einzige Lichtquelle in der Polarnacht war eine Funzel gespeist mit Robbenöl. Nach vier Monaten starb der erste, und knapp drei Monate später starben dann einer nach dem anderen, bis am 22.6.1884 plötzlich unerwartete Rettung eintraf. Von den 25 Männern waren nur noch sieben am Leben, und nur sechs schafften es bis nach Hause.

Rescue at Cape Sabine/Pim Island - Zeichnung von Albert Operti
Rescue at Cape Sabine/Pim Island – Zeichnung von Albert Operti

Am 6.6.1884 wurde auf Befehl Greelys der Soldat Charles Henry hingerichtet, der mehrfach beim Diebstahl von Lebensmitteln ertappt worden war. Ein ungewöhnliches Urteil und in der Erforschung der Arktis wohl einmalig. Ungewöhnlich deshalb, weil Henry nicht der einzige Dieb war und weil Mundraub eigentlich mildernde Umstände geltend macht. Seltsam aber war vor allem der Versuch des Vertuschens der Hinrichtung, was zu vielen Spekulationen führte.

Fundort der Leiche von Charles Henry
Fundort der Leiche von Charles Henry

Charles Henry, ein aus Hannover stammender Immigrant, dessen richtiger Name Karl Heinrich Buck war, erhielt nach Rückführung des Leichnams sogar ein Begräbnis mit militärischen Ehren. Erst langsam sickerten Nachrichten über die wirkliche Todesursache Henrys sowie auch Berichte über Kannibalismus durch. Wie die Untersuchung durch die Rettungsmannschaft ergeben hatte, war bei sechs Leichnamen Fleisch entnommen worden.

Gedenktafel für die Greely-Expedition

Bis heute wurden die damaligen Ereignisse nicht vollständig aufgeklärt, was der Tatsache geschuldet ist, dass neben Greely auch die drei an der Hinrichtung Henrys beteiligten Soldaten (darunter zwei weitere Deutsche) zu den Überlebenden der Expedition gehörten. Sie hatten sich geschworen, über den Hergang der Hinrichtung Stillschweigen zu bewahren. In den Jahren nach der Rettung der sechs Männer verschwanden Unterlagen und Beweisstücke. Der letzte der an der Hinrichtung Henrys Beteiligten, David Legge Brainard, starb als hochdekorierter Brigadegeneral erst 1946. Er nahm die Wahrheit über die Umstände der Hinrichtung Henrys und über die Kannibalismusfälle mit in sein Grab.

posted by Wolfgang Opel am 24. Oktober 2012

Siehe auch „Franz Joseph Lang – Ein Arktisreisender von der Schwäbischen Alb“ und „Roderich Robert Schneider – Ein Arktisreisender aus Dorfschellenberg in Sachsen

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Neues Meeres-Schutzgebiet

In Reaktion auf die Erwärmung der Arktis diskutieren die Qikitani Inuit Association und die Regierungen Kanadas und Nunavuts zur Zeit ein neues Meeres-Schutzgebiet für das kanadische High Arctic Basin (Tuvaijuittuq).

In Grise Fiord
In Grise Fiord

Zu diesem angedachten Schutzgebiet würde u.a. auch die nördlichste Wohnsiedlung Kanadas, Grise Fiord, gehören. In Inuktitut ist ihr Name Aujuittuq – „Der Ort, der niemals auftaut“.

Grise Fiord, RCMP-Station
RCMP-Station in Grise Fiord
RCMP sledge
Ungewöhnliches Polizei-„Fahrzeug“

Diese nördlichste Siedlung entstand als Maßnahme der kanadischen Regierung zur Durchsetzung ihres Anspruchs auf die Territorien in der „High Arctic“.

Das nördlichste Postamt der Welt
Das nördlichste Postamt der Welt

Das Denkmal unten – geschaffen von dem Inuit-Künstler Looty Pijamini – erinnert an die acht Inuit-Familien, die viel weiter im Süden zuhause waren und 1953 wenig freiwillig in die Nähe des heutigen Grise Fiords umgesiedelt wurden, um als „lebendige Flaggenmasten“ den kanadischen Hoheitsanspruch zu veranschaulichen. Erst vor einigen Jahren hat sich die kanadische Regierung bei den Inuit für diese Zwangsmaßnahme entschuldigt.

Denkmal von Looty Pijamini

Grise Fiord liegt im Bereich des angedachten neuen Meeres-Schutzgebietes im kanadischen High Arctic Basin, das den Namen Tuvaijuittuq trägt. In der Sprache der Inuit bedeutet das „Wo das Eis niemals schmilzt“!

Eisbär im High Arctic Basin

Für die Eisbären, die eigentlichen „Beherrscher der Arktis“, hat die globale Erwärmung gravierende Folgen. Die deutliche Reduzierung des Meereises verringert ihren Lebensraum. Die Auswirkungen auf diese wunderbaren Tiere haben wir – unter vielem anderen – in unserem Buch „Eisbären-Wanderer auf dünnem Eis“ diskutiert.

posted by Wolfgang Opel

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About „IQ“ — and about lack of respect in Cambridge Bay

reblogged from October 10, 2012 – Deutsche Version hier

The topic here is not „intelligence quotient“, but Inuit Qaujimatuqaangit. This term is Inuktitut for „that which has long been known by Inuit“. It is also often translated as „Inuit traditional knowledge“, but „IQ“ is not only knowledge in the sense of a stock of information, it includes also principles and values, it works as a code of behaviour and can navigate the way forward in life.

Aaju Peter, story telling - Foto Wolfgang Opel
Aaju Peter, story telling

As I have learned from Aaju Peter the Inuit originally did not know the term of “ownership of the land” – the land was „owned“ only in the way that everyone came from a place that was appreciated because it offered what was needed. The Inuit would not have survived in the inhospitable Arctic over thousands of years, if they had not respected the land, the sea, the animals, the plants, the rocks, the rivers, the mountains and even the icebergs as entities which have a “spirit”.

Flag of Cambridge Bay
Flag of Cambridge Bay

Such a perception of the environment and the corresponding behavior has enabled them to develop abilities and skills using what the land was offering and to develop a culture of perfect adaptation to the existing resources. They were able to do this in an extreme environment where, over the centuries, so many „white“ explorers had miserably failed, and where even today the average people, used to “civilization”, could hardly survive on their own.
IQ stands for Inuit knowledge of the interrelations in nature, and is based on the principle that humans are permanently learning beings with an infinite potential for problem-solving within the dictates of nature and technology. IQ embraces the concepts of serving, consensus-decision making, collaborative relationship or working together for a common purpose as well as the concept of environmental stewardship.
Could our “Western” society learn something from that?

Kitikmeot Inuit Association, Cambridge Bay
Kitikmeot Inuit Association, Cambridge Bay

Recently, in Cambridge Bay there was a public meeting regarding the future Canadian High Arctic Research Station (CHARS), where engineers, scientists, architects and federal government bureaucrats met with local residents. The Inuit want to make sure that the research station should bridge Western science and Inuit knowledge, but not only in one direction, like in the past. CHARS should be a „two-way bridge“.
And one of the goverment agents actually assured that the research institute will be guided by the principles of Inuit Qaujimatuqaangit.

Infrastructure
Infrastructure

A few days ago, some „Western“ visitors of Cambridge Bay proved that they are equipped with a substantial „AQ*”. A luxury yacht from Australia, during traversing the famed Northwest Passage, moored in Cambridge Bay, and some young Inuit women, among them minors, were invited to a party with alcohol and fireworks, which both are illegal in that community. And that’s not all: the passengers from the Fortrus also appeared to have harassed muskoxen near Mt. Pelly, with the help of rented vehicles, for gaining some extra-ordinary photos and video shots. There are outstanding fines of $10.000 which are still not paid until today.

*AQ here means „Arrogance Quotient“

posted by Mechtild Opel on October 10, 2012

Update by Nov 23, 2012: As to be read in Nunatsiaq News online, the owner of the Fortus, Australian tycoon Paul McDonald, has paid his outstanding bill for Nunavut Liquor Act offenses – he has paid $10,000 on Oct. 29, as RCMP confirmed on Nov. 20.

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Cambridge Bay: über „IQ“ und Mangel an Respekt

reblogged vom 5. Oktober 2012 – English version here

Hier soll es nicht um den „Intelligenzquotienten“ gehen, sondern um Inuit Qaujimatuqaangit. Dieser Begriff aus dem Inuktitut bedeutet im Deutschen etwa: „das, was die Inuit seit langer Zeit wissen“. Man spricht auch vom „traditionellen Wissen“ der Inuit, jedoch geht es bei IQ nicht nur um Wissen im Sinne eines Vorrates an Kenntnissen; es schließt auch Prinzipien und Werte ein und wirkt als Verhaltenscodex, als Navigationshilfe durch den Lauf des Lebens.

Aaju Peter und Lois Suluk-Locke - Foto: Wolfgang Opel
Aaju Peter und Lois Suluk-Locke – Foto: Wolfgang Opel

Von Aaju Peter erfuhr ich, dass den Inuit der Begriff des Eigentums an Land eigentlich fremd ist – das Land „gehörte“ ihnen stets nur insofern, dass sie jeweils von einem Ort kamen, den sie schätzen, der ihnen das bot, was sie brauchten. Sie hätten nicht über tausende Jahre in der unwirtlichen Arktis überleben können, wenn sie nicht das Land, das Meer, die Tiere, die Pflanzen, die Felsen die Flüsse, die Berge, ja selbst die Eisberge, als Wesen mit einem eigenen spirit respektiert hätten. Eine solche Wahrnehmung ihrer Umwelt und die entsprechenden Handlungsweisen haben ihnen ermöglicht, Fähigkeiten und Fertigkeiten zu entwickeln, die genau das nutzten, was das Land bot, also im Einklang mit den vorhandenen Ressourcen eine Lebenskultur der perfekten Anpassung zu entwickeln. Und das in einer Umgebung, in der viele „weiße“ Entdecker bis hinein ins 20. Jahrhundert kläglich scheiterten und wo auch heute noch kaum ein Mitteleuropäer auf sich selbst gestellt überleben könnte.

High School in Cambridge Bay - Foto: Mechtild Opel
High School in Cambridge Bay – Foto: Mechtild Opel

IQ steht für die den Inuit eigenen Einsichten in die Zusammenhänge der Natur, die darauf beruhen, das Menschen ständig lernende Wesen sind, die über ein reiches Potential zur Problemlösung innerhalb der Gesetze der Natur und Technik verfügen; zu IQ gehören auch Prinzipien wie Beitragen zur Gemeinschaft, Konsens bei Entscheidungsfindungen, gegenseitiger Respekt und Zusammenarbeit, Verantwortung und Fürsorge für die Umwelt. Sollte unsere „westliche“ Gesellschaft nicht etwas davon lernen?

Poster an einer Tür in Cambridge Bay - Foto: Wolfgang Opel
Poster an einer Tür in Cambridge Bay – Foto: Wolfgang Opel

Für Cambridge Bay ist eine neue kanadische Forschungseinrichtung in Planung. In einer Planungssitzung vor Ort mit Wissenschaftlern, Architekten und Regierungsbeamten, die Ende September stattfand, forderten Einwohner des Ortes, dass die 2017 zu eröffnende Canadian High Arctic Research Station (CHARS) westliche Wissenschaft und Inuit-Wissen zusammenbringt. Dieser Austausch soll nicht mehr, wie bisher üblich, nur in einer Richtung stattfinden: CHARS soll eine Brücke sein, die auch eine Gegenspur hat.
Und ein verantwortlicher Regierungsvertreter beeilte sich tatsächlich, zu versichern, dass das Institut nach den Prinzipien von Inuit Qaujimatuqaangit geleitet werden wird.

Arctic College in Cambridge Bay - Foto: Wolfgang Opel
Arctic College in Cambridge Bay – Foto: Wolfgang Opel

Kürzlich bewiesen „westliche“ Besucher von Cambridge Bay, dass sie über einen gehörigen AQ* verfügen. Als die australische Luxus-Segeljacht „Fortrus“ beim Durchqueren der Nordwestpassage in Cambridge Bay anlegte – eine Gemeinde, die aufgrund eines Mehrheitsentscheids über keinen Alkoholverkauf – bzw. Ausschank verfügt – lud die Mannschaft junge Frauen, darunter Minderjährige, zur Party mit Alkohol und ebenfalls verbotenem Feuerwerk an Bord. Zuvor hatte man mit Hilfe von geliehenen 4-Wheelern eine Treibjagd auf Moschusochsen zum Zwecke eines Foto-Shooting veranstaltet. Und die dafür fälligen Strafgebühren wurden auch noch mit ungedeckten Schecks bezahlt…

*AQ steht hier für „Arroganz-Quotient“

posted by Mechtild Opel am 5. Oktober 2012

Update vom 23. Nov. 2012: Wie man zwischenzeitlich in Nunatsiaq News online lesen konnte, ist der Eigentümer der Yacht Fortus, der Australier Paul McDonald, seiner offenen Forderung wegen Verletzung des Nunavut Liquor Act nachgekommen – wie die RCMP am 20. November bestätigte, hat er am 29. Oktober $10,000 Strafe gezahlt.

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Belzebub II passierte Mercy Bay

reblogged vom 30.September 2012

Am 2.9.2012 berichtete die Crew der Yacht Belzebub II von der erfolgreichen Befahrung der McClure Strait – unter Ausnutzung eines 36stündigen Zeitfensters, in dem eine schmale Wasserstrasse auch das Passieren der Mercy Bay ermöglichte, bevor sich das Packeis wieder schloss.
Den Namen des Schiffes „Belzebub“ kann man durchaus als Herausforderung an das „Schicksal“ auffassen; denn in einer ähnlichen Situation, allerdings schon 131 Jahre zuvor, hatte sich die HMS Investigator nämlich gerade noch in diese „Bucht der Gnade“, vom Kapitän McClure damals „Bay of God’s Mercy“ genannt, retten können, um nicht vom Eisdruck zerstört zu werden. Johann August Miertsching schrieb darüber in seinem Tagebuch:
„Sobald es aber völlig Tag wurde und bei dem scharfen Westwind aller Nebel verschwandt, sah er (McClure) die Unmöglichkeit auch nur eine Mile weit durch das gegen uns kommende Eis zu kommen. Bei dem hellen Wetter jetzt sahen wir erst, das wir uns in einer Bucht befinden, nahe dem westlichen Ende von Banks Land…“

HMS Investigator im Eis vor Banks Island - Zeichnung von S.G. Cresswell
HMS Investigator im Eis vor Banks Island – Zeichnung von S.G. Cresswell

Man mag sich ein ähnliches Schicksal für die Belzebub II nicht ausmalen, denn die Besatzung der Investigator musste hier zwei Winter im Eis der Arktis verbringen, ehe das Schiff am 7. April 1853 durch Leutnant Pim von HMS Resolute, dessen Todestag sich übrigens heute zum 126. Mal jährt, aufgefunden und die Besatzung dadurch gerettet werden konnte.

Lieutenant Bedford Pim
Lieutenant Bedford Pim – Foto: Lock & Whitfield

Die Eisbedingungen im Bereich von Banks Island unterschieden sich 2012 wohl nur geringfügig von den Bedingungen im Jahr 1851. Ganz anders dagegen in den östlichen Teilen der kanadischen Arktis: hier war die Nordwestpassage bereits fast vollständig eisfrei; nur wenige gelegentlich vorbeidriftende Eisberge erinnerten noch an die Probleme, die vor 165 Jahren zum Verschwinden der Expedition von Sir John Franklin geführt hatten.

Kein Eis im September 2012, Cape Riley/Lancaster Sound - Foto: Wolfgang Opel
Kein Eis im September 2012, Cape Riley/Lancaster Sound – Foto: Wolfgang Opel

Am 16.9.2012 wurde die geringste Eisbedeckung der arktischen Gewässer seit Beginn ihrer messtechnischen Erfassung berichtet.

Rückgang des arktischen Eises  - Grafik: Neven (Arctic Sea Ice Blog)
Rückgang des arktischen Eises – Grafik: Neven (Arctic Sea Ice Blog)

Das Abschmelzen des arktischen Eises geht also mit mindestens unverminderter Stärke weiter. Die Auswirkungen, zum Beispiel immer heißer werdende Sommer in großen Teilen Nordamerikas, können noch nicht vollständig prognostiziert werden. Die Aussagen der Wissenschaftler im Video klingen jedenfalls nicht sehr optimistisch:

posted by Wolfgang Opel am 30. September 2012

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Copper Inuit

reblogged vom 24. September 2012

Wo der Coppermine River nach vielen Windungen durch das Relief des kanadischen Schildes in die Beaufort Sea mündet, an der Nordküste des kanadischen Festlandes, liegt der „Ort des strömenden Wassers“, in der Sprache der Inuit Kugluktuk, auf älteren Landkarten noch als Coppermine bezeichnet.

Blick auf Kugluktuk mit dem Coppermine River - Foto: Wolfgang Opel
Blick auf Kugluktuk mit dem Coppermine River – Foto: Wolfgang Opel

Gut 500 km weiter in Richtung Nordost durch den Coronation Gulf und die Dease Strait liegt an der Südostküste von Victoria Island Cambridge Bay oder Iqaluktuuttiaq – das bedeutet: „ein guter Ort zum Fischen“ – direkt an der Küste. Hinter einem flachen, sandigen Strand reihen sich Häuser und unbefestigte Straßen auf kiesigen, mit Schotter durchsetzten Untergrund. Das harsche Klima mit Dauerfrostboden ermöglicht nur eine spärliche Vegetation von dicht am Boden wachsenden Pflanzen.

Cambridge Bay - Foto: Wolfgang Opel
Cambridge Bay – Foto: Wolfgang Opel

Einst existierte hier nichts als ein Handelsposten der Hudson’s Bay Company, der 1921 eröffnet und dann von einem Dutzend Inuit-Familien regelmäßig besucht wurde; einige davon blieben dauerhaft. Seit den 1960er Jahren wurden dann Fertighäuser in größerer Anzahl errichtet, und inzwischen haben Cambridge Bay wie auch Kugluktuk jeweils etwa 1500 Einwohner. Hier leben die sogenannten Copper Inuit.
Was es mit diesem Namen auf sich hat, beschreibt Johann August Miertsching in seinem „Reisetagebuch“, als er am 2. Juni 1851 über eine Begegnung mit „Eskimos“ auf Victoria Island berichtet: „Ihre Harpunen, Messer, Beile, Pfeilspitzen, Nähnadeln u.s.w. sind alle von Kupfer verfertigt…“.

Copper Inuit (Diorama) - Foto: Wolfgang Opel
Copper Inuit (Diorama) – Foto: Wolfgang Opel

Im Sommer lebten die Copper Inuit in Zelten und durchstreiften in kleinen Gruppen das Inland, um zu fischen und Karibus zu jagen. Im Winter hingegen wohnten sie in Iglus direkt am Meer oder sogar auf dem Eis und lebten vor allem von der Robbenjagd. Sie nutzten natürliche Vorkommen an gediegenem Kupfer aus der Region zur Herstellung ihrer Werkzeuge und boten solche auch benachbarten Stämmen zum Tauschhandel an.
Im Zusammenhang mit der Suche nach der Nordwestpassage gab es im 19. Jahrhundert einige wenige Kontakte mit europäischen Entdeckungsreisenden, wie beispielsweise der, über den Miertsching in seinem Tagebuch über die Reise mit der HMS Investigator berichtete. Dieser hatte noch ein wichtiges Nachspiel, denn das 1853 aufgegebene Schiff und das von der Mannschaft auf Banks Island angelegte Versorgungsdepot bot den Copper-Inuit Gelegenheit, eine Menge für sie sehr seltener Werkstoffe – vor allem Holz und Eisen – zu bergen und sich nutzbar zu machen.

Metall vom Depot auf Banks Island - Foto: Parks Canada
Metall vom Depot auf Banks Island – Foto: Parks Canada

Mit der Seßhaftigkeit seit etwa 60 Jahren erlebten die Copper-Inuit einen kulturellen Umbruch, der ihnen eine gewaltige Anpassungsleistung abverlangte. Über Jahrtausende hatte das nomadisierende Jägervolk ganz selbstverständlich unter extremsten klimatischen Bedingungen gelebt. Die Inuit waren sehr geschickt darin, sich nur von dem, was Land und Meer der Arktis boten, zu ernähren, zu kleiden und sich Steine, Tierhäute, Knochen und Schnee als Baumaterial für ihre Wohnungen zunutze zu machen,
Seit den 1960er Jahren war ihnen dann eine fremde und fremdsprachige Kultur massiv übergestülpt worden, bereits zuvor eingeleitet durch die Tätigkeit christlicher Missionare und dann forciert durch einen Schulunterricht ausschließlich in englischer Sprache. Heute sind die Copper Inuit von Cambridge Bay an die Nutzung von Schneemobilen, Satellitenschüsseln, Telefon und Internet gewöhnt, die Jugendlichen sprechen Englisch und verbringen die Freizeit mit Videospielen. Im Ort findet man natürlich Post und Bank, Polizei und Krankenhaus, Kindergarten und Schule, Department Store und Co-op, und sogar Pizza Hut und KFC, die internationalen Fastfoodketten, sind vertreten. Und natürlich auch mindestens drei Kirchen.

Ruine der alten Steinkirche, Cambridge Bay - Foto: Wolfgang Opel
Ruine der alten Steinkirche, Cambridge Bay – Foto: Wolfgang Opel

Die gewaltigen sozialen Veränderungen im Leben der Copper-Inuit sind – wie auch anderswo im hohen Norden Kanadas – mit nicht wenigen Problemen verbunden. Sie führten zu vielen Brüchen, die sich unter anderen in Alkohol- und Drogenmissbrauch, Gewaltkriminalität und einer hohen Suizidrate zeigen. Eine über Jahrzehnte verfehlte Bildungspolitik hatte zur Folge, dass die Sprache, Inuinnaqtun, heute nur noch von der ältesten Generation fließend gesprochen wird. Enkelkinder und Großeltern können sich oft gar nicht mehr miteinander unterhalten; und erst die jüngste Generation bekommt nun wieder Gelegenheit, die eigene Sprache in der Schule zu lernen.
Die Gefährdung der Sprache steht für die Gefährdung der traditionellen Kultur, zu der nicht nur Pelzkleidung, Trommeltanz und Kehlkopfgesang (Throat-singing) gehören, sondern die gesamte Lebensweise, einschließlich der Ernährung, sowie ein bewährtes traditionelles System der Werte, das Ehrlichkeit, gegenseitigen Respekt, Verantwortung für die Gemeinschaft und Fürsorge für die Umwelt einschließt.
Engagierte Elders setzen sich heute für eine Wiederbelebung dieser kulturellen Werte ein, und man spürt bei der Rückbesinnung auf die Tradition ein wachsendes Selbstbewusstsein. Heute erlernen viele junge Inuit-Mädchen und -Frauen mit Begeisterung den Kehlkopfgesang, der vor 20 Jahren schon fast vergessen war.

Tanya Tagaq - Foto: Michael Höfner
Tanya Tagaq – Foto: Michael Höfner

Als vor ein paar Jahren die Künstlerin Tanya Tagaq aus Cambridge Bay die traditionellen Formen des Throat-singings versuchsweise mit anderen sprachlichen und musikalischen Ausdrucksformen kombinierte, wurde das zufällig von Zuhörern aus Island aufgezeichnet. Kurze Zeit darauf bekam sie eine Einladung von Björk und war an deren CD-Produktion Medúlla beteiligt!

Inzwischen hat Tanya Tagaq ihren Platz in der Avantgarde der Weltmusik gefunden. Der Gründer des Kronos-Quartets, David Harrington, bezeichnete sie gar als „Jimi Hendrix des Inuit Throat-singings“.

posted by Mechtild Opel am 24. September 2012

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Chocolate in the Arctic

reblogged from August 22, 2016 – Deutsche Version hier

Can you starve while you still have chocolate left???

The finds at „Boat’s Place“ at Erebus Bay on King William Island and their various interpretations belong to the many unsolved mysteries of the lost Franklin expedition. During McClintock’s search for traces of Franklin’s men, on May 24th 1859 a land expedition under Lieutenant Hobson discovered a boat. Buried beneath the snow, it rested on a sledge. Hobson freed the boat from the snow load. He found two human skeletons and wrote a detailed account of the items that were in the boat.

Finding the boot – from „Die Gartenlaube“, 1860
Finding the boot – from „Die Gartenlaube“, 1860

Six days later, Captain McClintock reached the same place. Prior to that, he had worked a lot on the optimization of sled transportation on Arctic tours. In his report, he refers to the – in his opinion – „dead weight“ of the strange sled charge. There was no food left except for a small residual of tea and about 40 pounds of chocolate.

Memorial for McClintock provided by family members, near Bellot Strait
Memorial for McClintock provided by family members, near Bellot Strait

This raises the question: Is it possible to starve to death if you have 40 pounds of chocolate available? Apparently yes.
This was not the softly melting, creamy milk chocolate we know nowadays, but a product then called „Cocoa“ or „ship’s chocolate“. Roasted cocoa beans were crushed, with some cocoa butter being released in the process. The result was no dry powder, but a paste, which was cooled into a „cake“. In 1828, Dutch chemist Coenraad Johannes van Houten invented a process that could separate most of the cocoa butter from the chocolate; then some of it was added again (possibly with some sago starch added) for pressing compact cake pieces that could be grated into cocoa powder.

Cocoa beans – Photo: Frank Wouters, Wikipedia
Cocoa beans – Photo: Frank Wouters, Wikipedia

Such hard chocolate „cake“ was part of the usual rations for Arctic expeditions because it could be used to prepare an invigorating hot drink – at that time, coffee was not yet a standard drink for expedition members! Cocoa also helped to make the unpleasant tasting water from the ship’s tanks drinkable – which helped to save rum as well. It was probably as early as 1780 that the British government had regularly commissioned solidified cocoa from the firm of J.S. Fry & Sons as a standard ration of chocolate for seamen in the Royal Navy.

Advertisement for Fry's Pure Concentrated Cocoa – credit: Wellcome Images
Advertisement for Fry’s Pure Concentrated Cocoa – credit: Wellcome Images

Johann August Miertsching, who took part in an expedition in search for Franklin from 1850 to 1854, regularly drank “Cocoa“ aboard HMS Investigator, which was served at breakfast. In the evening, however, tea was prepared. Coffee was served only at the very beginning of the expedition and on special occasions.

Johann August Miertsching
Johann August Miertsching

Miertsching, together with his comrades, had to leave the ice-trapped HMS Investigator in 1853 and, like Franklin’s men, they had to walk with sledges over ice and land. He describes the meager daily ration for the likewise starving men:
„1 pound biscuit, 3/4 pound meat and 1 oz. cacao plus 1/2 oz. sugar, and ½ gill rum for grog. The meat will be consumed cold and naturally hard-frozen. The grated cacao and sugar will be put in a kettle, together with ice or snow, and then cooked on a spirit stove. “ (April 15th, 1853).

Grounded cocoa – Photo credit: Blair, Wikipedia
Grounded cocoa – Photo credit: Blair, Wikipedia

So cocoa, grated and prepared as a hot drink by adding sugar and water, was likely to warm up, and due to the cocoa butter and the added sugar it even delivered some energy. But the quite bittery, hard-frozen compact mass which was found at Boat’s Place was in no way good enough to save the famished men of Franklin’s expedition from starvation. In addition to that, when taking in larger amounts of cocoa in the solid state, surely the men would have suffered from constipation.

Edit: there is a new and interesting approach to that chocolate issue, you can read it here.

The world of Ice
The world of Ice

In Miertsching’s Arctic diary you also can read about the usual charge of a party consisting of nine men on a sledge expedition on land or ice. A large part of the objects found by Hobson on „Boat Place“ is also contained in Miertschings listing: „…brush for removing snow from the tent and clothes, boot soles, wax, bristles, waxed floss, cobbler’s wire, nails, awl, … along with soap, towels, combs etc. … pepper, salt, lighter, cotton and flannell bandage, … eyewash, pills etc., lancet, opium tincture, scissors, needles and twine; … The whole weight of such a sled charge for 42 days is more than 1,000 pounds.“ (April 17, 1851).

Relics of the Franklin expedition – from „Illustrated London News“
Relics of the Franklin expedition – from „Illustrated London News“

There has been much speculation about whether the men of the Franklin expedition were doing the right thing when they gave up the ice-trapped ships and moved to the south, thus hoping to survive and to find possible rescue. Special doubts about whether their actions made sense are arising from the many seemingly „useless“ things which the famished and exhausted men towed over land on the overloaded sled with the heavy boat. From the items mentioned in Hobsons report, in particular silverware, a signet ring and sealing wax, a golden cord, books, golden watches, soap, combs, brushes and needles are emphasized. Were these men so foolish – or even mentally confused?

More relics of the Franklin expedition – from „Illustrated London News“
More relics of the Franklin expedition – from „Illustrated London News“

Apart from the fact that those were actually not golden, but only silver cased watches: When viewed from today’s perspective, it turns out that there were quite a lot of useful and practical things in the sledge load of Franklin’s men – compass, knife, lighters, awl, waxed floss, various tools, gloves, snow goggles, powder flasks (probably with drugs), scarves, rifle and ammunition, fishing line, sewing kit, scissors, packets of needles. The things which were actually not necessary for the men themselves on their march to the south could have been possibly quite well be used in exchange to get food, in case they would have met Inuit.

McClintock Cairn, Fort Ross
McClintock Cairn, Fort Ross

Among the finds there were also some books. One can argue about how vital books are for people plagued by cold and hunger. Who can judge what value a book would have for the desperate – maybe to get some consolation, or not to lose all courage? How important can it be for people in desperate need, to create some team spirit by reading aloud from a book, or by singing a hymn together? Even about these things, you can learn in the Arctic diary from Miertsching – who, by the way, was born exactly 199 years ago.

posted by Mechtild Opel on August 22, 2016

Addendum: More about the expedition of HMS Investigator in this book – (but in German): „Weil ich ein Inuk bin. Johann August Miertsching – Ein Lebensbild„.

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Schokolade in der Arktis

reblogged vom 21. August 2016 – There is an English version here.

Kann man verhungern, wenn noch Schokolade da ist?

Die Funde am „Boat’s Place“ an der Erebus Bay auf King William Island und ihre Interpretationen bilden eines der vielen ungelösten Rätsel der verschollenen Franklin-Expedition. Während McClintocks Suche nach Spuren von Franklins Männern wurde bei einer Landexpedition unter Leutnant Hobson am 24. Mai 1859 ein unter der Schneedecke begrabenes Boot entdeckt, das auf einem Transportschlitten ruhte. Hobson legte das Boot frei. Er fand zwei menschliche Skelette und erstellte einen genauen Bericht über die Gegenstände, die sich im Boot befanden.

Auffindung des Bootes – Abbildung aus der „Gartenlaube“, 1860
Auffindung des Bootes – Abbildung aus der „Gartenlaube“, 186

Sechs Tage später erreichte Kapitän McClintock den gleichen Ort. In seinem Bericht weist er, der sich viel mit der Optimierung von Lastschlitten auf Arktistouren beschäftigt hatte, auf das seiner Meinung nach „tote Gewicht“ der seltsamen Schlittenladung hin. An Lebensmitteln fanden sich noch ein Rest Tee – und etwa 40 Pfund Schokolade.

Gedenkstein für McClintock an der Bellot Strait, gestiftet von seiner Familie – © Wolfgang Opel
Gedenkstein für McClintock an der Bellot Strait, gestiftet von seiner Familie

Es stellt sich die Frage: Kann man Hungers sterben, wenn man 40 Pfund Schokolade zur Verfügung hat? Offenbar ja.
Es handelte sich hierbei nicht etwa um zartschmelzend-cremige Milchschokolade, sondern um ein damals „Cocoa“ oder „ship’s chocolate“ genanntes Produkt. Geröstete Kakaobohnen wurden zerkleinert; dabei wurde Kakaobutter freigesetzt, so dass kein trockenes Pulver entstand, sondern ein Paste, die durch Abkühlung zu einem „Kuchen“ wurde. Nachdem Johannes van Houten 1828 ein Verfahren entwickelt hatte, der gemahlenen Masse Kakaobutter zu entziehen und anschließend wieder zuzusetzen, konnte die Masse – möglicherweise unter Zusatz von etwas Stärke aus Sago – zu kompakten Stücken gepresst werden.

Kakaobohnen – Foto: Frank_Wouters, Wikipedia
Kakaobohnen – Foto: Frank_Wouters, Wikipedia

Solche harten „Kuchen“ gehörte zu den übliche Rationen für Arktisexpeditionen, denn daraus ließ sich ein stärkendes Heißgetränk herstellen – in einer Zeit, da Kaffee für die Expeditionsteilnehmer noch kein Standardgetränk war! Damit konnte übrigens auch unangenehm schmeckendes Wasser aus den Schiffstanks trinkbarer gemacht – und dadurch Rum gespart werden. Wohl schon ab 1780 hatte die Britische Regierung regelmäßig festen „Cocoa“ von der Firma J.S. Fry & Sons als Standard-Schokoladenration für Seeleute geordert.

Werbung für Fry's Pure Concentrated Cocoa – Abbildung: Wellcome Images
Werbung für Fry’s Pure Concentrated Cocoa – Abbildung: Wellcome Images

Johann August Miertsching, der von 1850 bis 1854 an einer Expedition zur Suche nach Franklin teilnahm, hat an Bord der HMS Investigator ebenfalls regelmäßig „Cocoa“ getrunken, den es morgens zum Frühstück gab – abends hingegen wurde Tee bereitet. Kaffee gab es nur ganz zu Anfang der Expedition zu besonderen Anlässen.

Johann August Miertsching
Johann August Miertsching

Miertsching, der mit seinen Kameraden 1853 die ebenfalls im Eis eingeschlosssene HMS Investigator verlassen und zu Fuß über Eis und Land wandern musste, beschreibt die schmale Tagesration für die ebenfalls bereits hungernden Männer: „1 Pfd. Schiffszwieback, 3/4 Pfund Fleisch u. 2 Loth Cacao nebst 1 Loth Zucker, und ½ gill Rum zum Grog. – Das Fleisch wird kalt u. natürlich hart gefroren verzehrt. Der geriebene Cacao u. Zucker wird mit Eis oder Schnee in einen Kessel gethan, u. über einer Spiritus-Lampe gekocht. “ (15. April 1853).

Pulverisierter Kakao – Foto: Blair, Wikipedia
Pulverisierter Kakao – Foto: Blair, Wikipedia

Cocoa, gerieben und mit Zucker und Wasser zu einem Heißgetränk bereitet, war also etwas zum Aufwärmen und lieferte durch Kakaobutter und zugesetzten Zucker auch ein wenig Energie. Die hart gefrorene, recht bittere kompakte Masse, die am boat place gefunden wurde, taugte jedoch keineswegs dazu, die ausgehungerten Männer der Franklin-Expedition vor dem Hungertod zu bewahren. Dazu kommt: Bei der Einnahme größerer Mengen des Lebensmittels im festen Zustand hätten die Männer ganz sicher unter Verstopfung zu leiden gehabt.

Im Eis der Arktis
Im Eis der Arktis

In Miertschings Reisetagebuch kann man auch lesen, was zur üblichen Ladung einer „Schlittengesellschaft“ von 9 Personen auf einer Expedition über Land oder Eis gehört. Ein Großteil der von Hobson am „Boat Place“ vorgefundenen Gegenstände findet sich denn auch in Miertschings Auflistung: „…Bürste zum Beseitigen des Schnees von Zelt und Kleidern, Stiefelsohlen, Wachs, Borsten, Schuhmacherdraht, Nägel, Ahle, … nebst Seife, Handtüchern, Kämmen u.s.w. … Pfeffer, Saltz, Feuerzeug, Cotton u. Flanellbinden, Pflaster, … Augenwasser, Pillen u.s.w., Lancete, Opium Tincktur, Scheere, Nadeln u. Zwirn; … Das ganze Gewicht so einer Schlittenladung auf 42 Tage beträgt über 1000 Pfund.“ (17. April 1851).

Relikte der Franklin-Expedition – Illustrated London News
Relikte der Franklin-Expedition – Illustrated London News

Es wurde viel darüber spekuliert, ob die Männer der Franklin-Expedition das Richtige taten, als sie die im Eis eingeschlossenen Schiffe aufgaben und in Richtung Süden zogen, um dadurch vielleicht zu überleben und mögliche Rettung zu finden. Besondere Zweifel daran, ob ihr Tun sinnvoll sei, ergaben sich aus den vielen scheinbar „unnützen“ Dingen, die die Ausgehungerten und Entkräfteten auf dem überladenen Schlitten mit dem schweren Boot über Land zogen. Aus den in Hobsons Bericht erwähnten Dingen hob man insbesondere Silberbesteck, Siegelring und Siegellack, eine goldene Kordel, Bücher, goldene Uhren, Seife, Kämme, Bürsten und Nadeln hervor. Waren diese Männer so töricht – oder gar geistig verwirrt?

Relikte der Franklin-Expedition – Illustrated London News
Relikte der Franklin-Expedition – Illustrated London News

Abgesehen davon, dass diese Uhren in Wirklichkeit nicht golden, sondern lediglich in Silber eingefasst waren, stellt sich bei der Betrachtung aus heutiger Sicht heraus, dass sich in der Schlittenlast von Franklins Männern durchaus sehr viele nützliche und praktische Dinge befanden – Kompass, Messer, Streichhölzer, Schusterahle, gewachstes Garn, diverses Werkzeug, Handschuhe, Schneebrillen, Puderfläschchen (vermutlich mit Medikamenten), Halstücher, Gewehr und Munition, Angelschnur, Nähzeug, Scheren, dazu Nähnadel-Sets. Was man davon für die Wanderung nach Süden nicht selbst benötigte, hätte sich möglicherweise auch ganz gut als Tauschartikel einsetzen lassen, um dafür Lebensmittel erhalten, falls man auf Inuit traf.

McClintock Cairn, Fort Ross
McClintock Cairn, Fort Ross

Unter den Fundstücken befanden sich auch einige Bücher. Man kann darüber streiten, wie lebensnotwendig Bücher für von Kälte und Hunger geplagte Menschen sind. Wer kann schon beurteilen, welchen Wert ein Buch für Verzweifelte haben kann, um daraus Trost zu schöpfen, oder den Mut, noch nicht aufzugeben? Wie wichtig kann es für den Zusammenhalt von Menschen in äußerster Not sein, wenn jemand den anderen etwas aus einem Buch vorliest, oder wenn sie gemeinsam singen? Auch darüber lässt sich im Reisetagebuch Miertschings, der übrigens genau heute vor 199 Jahren geboren wurde, etwas erfahren.

posted by Mechtild Opel am 21. August 2016

Nachtrag vom August 2022: Wir freuen uns sehr, dass unser Buch „Weil ich ein Inuk bin. Johann August Miertsching – ein Lebensbild“ im Sommer 2022 im Berliner Lukas Verlag erschienen ist.

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Ein kleiner Schritt vorwärts, ein großer zurück

reblogged vom 30. August 2012

Gestern wurde bekannt, dass ein Segelboot auf dem Weg durch die Nordwestpassage die McClure Strait zwischen Banks und Melville Island durchfahren hat. Das ist eine viel weiter nördlich gelegene Route als die herkömmliche. Die Belzebub II ist damit die erste Yacht, der gelungen ist, was bisher nur Eisbrecher oder von ihnen unterstützte Schiffe geschafft hatten. Dieser viele Experten überraschende Coup hat eine wesentliche Voraussetzung – den dramatischen Rückgang der Eisbedeckung in der Arktis. Schon jetzt ist absehbar, dass 2012 ein neuer „Tiefpunkt“ der durch den Menschen verstärkten Klimaänderung erreicht wird, obwohl es noch immer viele Politiker, ihnen im Wunschdenken verfallene Bürger und auch noch einige wenige Wissenschaftler gibt, die genau das abstreiten.

McClure in Winterbekleidung (Illustrated London News)
Kapitän McClure in Winterbekleidung – Illustrated London News

Die McClure Strait wurde nach Kapitän Sir Robert McClure benannt, der mit dem Schiff HMS Investigator 1850 bzw. 1851 zwei mögliche Varianten der Nordwestpassage entdeckte.

McClure Strait mit Melville Island – nach einer Zeichnung von S. G. Cresswell
McClure Strait mit Melville Island – nach einer Zeichnung von S. G. Cresswell

Das Bild von der eisbedeckten McClure Strait mit Melville Island im Hintergrund stammt vom Ersten Offizier der Investigator, Samuel Gurney Cresswell, und gehört heute zu einem sehr gesuchten grafischen Zyklus über die Entdeckung der Nordwestpassage.

McClure als gefeierter Entdecker – Illustrated London News
McClure als gefeierter Entdecker – Illustrated London News

Die HMS Investigator blieb allerdings im Eis der Mercy Bay, Banks Island, stecken und kam nicht mehr frei, und die Mannschaft musste sich 1853 zu Fuß auf den Marsch über das Eis der heutige McClure Strait begeben, um die rettenden Schiffe einer anderen Expedition zu erreichen. Unter den ersten, die auf Melville Island ankamen, befand sich Johann August Miertsching aus Gröditz bei Bautzen, der als Übersetzer für Inuktitut angeheuert war. Er schrieb am 23. April 1853 in sein Tagebuch:
„Hier stand ich nun auf Mellvile Insel, u. konnte mich bei allen Elend u. Noth des schmeichelnden Gedanckens nicht enthalten, dass ich hier in diesen Polar-Regionen der einzige Wende aus Deutschland bin, u. an der seit mehr als 300 Jahren gesuchten nun von uns entdeckten Nordwestlichen Durchfahrt theil habe.“
Miertsching sollte noch einen einen weiteren, den vierten, Winter in der Arktis verbringen, bevor er seine Heimat wiedersehen konnte.

posted by Wolfgang Opel am 30. August 2012

Nachtrag vom August 2022: Wir freuen uns sehr, dass unser Buch „Weil ich ein Inuk bin. Johann August Miertsching – ein Lebensbild“ im Sommer 2022 im Berliner Lukas Verlag erschienen ist.

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A Sorb in the Arctic

reblogged from August 22, 2012. [- German version – deutsche Version hier.]

Johann August Miertsching was born on August 21, 1817 in Groeditz, then called Hrodzischczo (later Hrodźišćo), just 195 years ago today.

Old house in Groeditz - Photo: Wolfgang Opel
Old house in Groeditz – © Wolfgang Opel

The people of the small manorial village in Upper Lusatia, Germany, then containing of around 50 houses, were mostly rooted to the soil. They were mainly gardeners and farmers, and some worked as craftsmen. At least there was a school in the village. But, at that time, no one could know that the little Sorbian boy, who lost his father at the early age of two, would later become well-known after his journey into the High Arctic, in which he took part as an Inuktitut translator on behalf of the British Admiralty.

Church of Groeditz - Photo: – © Wolfgang Opel
Church of Groeditz – © Wolfgang Opel

33 years later, on August 21, 1850, Miertsching was beyond the Arctic circle and wrote in his diary: „Strong north wind, we sailed quickly… passed Flaxmans Island, saw people and tents there, came close to Pelly Island which is located near the mouth of the Mackenzie River at the evening; anchored at an ice floe… I was able to celebrate my birthday today very quietly. In the evening, two very pleasant hours in my cabin with Mr. Piers and Farquarson.“

Mackenzie Delta – © Wolfgang Opel
Mackenzie Delta – © Wolfgang Opel

In search for Franklin’s lost expedition and the Northwest passage, HMS investigator had sailed from the West into the polar seas and had reached the Mackenzie Delta. However, Miertsching did not suspect at this time that he would have to spend four more birthdays in the Arctic …

More about Miertsching’s life and his Arctic trip will follow in course of time on this blog.

posted by Mechtild Opel on August 22, 2012

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